Ein neues Jahr, ein neuer Woody-Allen-Film. Manchmal ist es sogar ein guter. Doch in «Wonder Wheel» dreht sich der New Yorker Regisseur genauso im Kreis wie das titelgebende Riesenrad im Vergnügungspark auf Coney Island.
Cineasten haben sich mittlerweile daran gewöhnt: Es vergeht kein Jahr, ohne dass ein Woody- Allen-Film ins Kino kommt. Der Altmeister arbeitet bekanntlich an drei Streifen gleichzeitig. Während er zum jüngsten das Drehbuch schreibt, verfilmt er das Script, das im Jahr zuvor entstanden ist. Neben diesen Tätigkeiten und seinen regelmäßigen Auftritten als Jazz-Musiker findet Allen aber auch noch Zeit, einen bereits abgedrehten Film zu schneiden. In diesem Tempo produziert der Regisseur Komödien und Dramen wie am Fließband. Dass dabei nur selten ein geschliffener Diamant herauskommt wie «Blue Jasmine», liegt in der Natur der Sache. Innovation ist mit Serienfertigung nur schwer vereinbar.
Wie alle Vielschreiber muss auch Allen bei all seiner Erfahrung auf Bewährtes zurückgreifen, um im Fluss zu bleiben. Sein neustes Werk «Wonder Wheel» legt davon ein Zeugnis ab. Obwohl es sich um den 47. Film handelt, bei dem der Henry Ford der cineastischen Zunft sowohl das Drehbuch schrieb als auch Regie führte, fühlt er sich wie der tausendste an, in dem es um eine Dreiecks-Beziehung mit ihren Höhen und Tiefen geht. Woody wärmt sein Lieblingsmotiv immer wieder auf, verzichtet aber darauf, es anzuwürzen. Deswegen bleibt «Wonder Wheel» über weite Strecken recht fade.
Der Film lässt sich nur schwer goutieren, auch wenn Allen die Handlung zurück nach Coney Island der 50er Jahre bringt, wo einst der Stadtneurotiker Alvy Singer aus «Annie Hall» aufwuchs. Doch dieses Mal ist es nicht der mit psychoanalytischen Weisheiten um sich werfende Komiker, der in die Kamera spricht, sondern der Rettungsschwimmer Mickey (Justin Timberlake). Der Schönling agiert zwar im Umgang mit Frauen nicht so tollpatschig wie der Stadtneurotiker, kann ihm aber intellektuell nicht das Wasser reichen – obwohl er das ständig versucht. Was aber aus seinem Mund kommt, sind nichts weiter als pathetische Phrasen wie diese: „I want to write plays about human life“. Und so sitzt er täglich am Strand des Vergnügungsparks, wo das riesige «Wonder Wheel» seine Runden dreht, und träumt von einer Karriere als Autor. Zwischen Lektüre und Sonnenbrand erzählt er dem Zuschauer kurzerhand von seiner Affäre mit Ginny (Kate Winslet), der eigentlichen Protagonistin.
Die schon etwas in die Jahre gekommene Ex-Schauspielerin ist mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation äußerst unzufrieden. Nicht nur, dass sie ihre Brötchen als Kellnerin verdient, anstatt auf der Leinwand zu glänzen, sie muss auch noch ihren rüpelhaften Mann Humpty (James Belushi) ertragen. Zusätzlich dazu sorgt immer wieder ihr Sohn aus erster Ehe für Probleme, der an dem Spleen leidet, alles anzuzünden, was riesige Flammen verspricht. Diese tristen Umstände treiben Ginny in die Arme des attraktiven Mickey. Ihr amouröses Abenteuer verläuft jedoch so lange in ruhigen Bahnen, bis eines Tages unverhofft Humptys erwachsene Tochter Carolina (Juno Temple) auftaucht, weil sie sich auf der Flucht vor den Handlangern ihres Gangstergatten befindet und einen Unterschlupf sucht.
In dieser überraschenden Rückkehr zum Vater liegt die erste Schwäche des Drehbuchs. Der Ausbruch aus mafiösen Machenschaften dient lediglich dazu, Carolina an einen Ort zu bringen, von dem aus sie in die Handlung eingreifen kann. Der Nebenstrang endet genauso abrupt wie er beginnt. Dass sich die Zuschauer fragen, ob die Gangster weiter Jagd auf Carolina machen und was sie unternehmen, um sie zu bekommen, kümmert Allen recht wenig. Er braucht die attraktive Blonde für die so wichtige Dreiecks-Beziehung, in der sie ihrer Stiefmutter unwissend den heißbegehrten Rettungsschwimmer streitig macht. Als Ginny bemerkt, dass sie in Mickeys Augen zunehmend verblasst, verliert sie aus Eifersucht die Kontrolle über sich und die Situation. Was dann folgt, kennt man aus Allens vorherigen Filmen. Business as usual, nur unausgegorener.
Dass «Wonder Wheel» zu keinem völlig miserablen Film geworden ist, verdankt der New Yorker Regisseur dem Kameramann Vittorio Storato und seiner Hauptdarstellerin. Kate Winslet spielt sich sprichwörtlich die Seele aus dem Leib, um das mittelmäßige Beziehungsdrama zu retten. Ihr fulminanter Auftritt ist authentisch und fesselnd, vor allem dann, wenn sie sich emotional zwischen den Extremen bewegt. Storato überzeugt hingegen mit farbenfrohen Bildern, in denen der kitschige Vergnügungspark in starken Blau-, Rot- und Gelb-Tönen leuchtet und der Szenerie die Atmosphäre eines Urlaubsidylls verleiht.
Eine eher mittelmäßige Leistung liefert hingegen Justin Timberlake ab. Zwar ist seine Mimik besonders in solchen Szenen vielsagend, wenn er in Gegenwart beider Frauen agiert, doch sie gerät schnell in den Hintergrund, sobald er den Mund öffnet. Jeder Satz geht so überatikuliert über die Lippen, dass es schwer fällt, ihn ernst zu nehmen. Teilweise liegt das aber auch an Allens gestelzten Dialogen, die in «Wonder Wheel» zu den größten Schwachpunkten zählen. Wenn die Figuren sprechen, wirken sie enorm künstlich. Selbst Winslet klingt an manchen Stellen sehr unrealistisch. Dabei kann Woody Allen gute Dialoge schreiben. Das stellte er oft genug unter Beweis. Auf seine alten Tage scheint ihn aber die Lust verlassen zu haben. Das Drehbuch mutet jedenfalls so uninspiriert an wie ein Fertiggericht. Dieses macht zwar satt, doch man hat schon einmal besser gegessen.
Kinostart für „Wonder Wheel“ ist der 11. Januar 2018.