Under The Skin: Kritik zum außergewöhnlichen Sci-Fi-Film

Florian Erbach 30. September 2014 3
Under The Skin: Kritik zum außergewöhnlichen Sci-Fi-Film

Erst ist da nichts, einfach nichts. Hypnotisch füllt sich die Leere und was wie das Erwachen aus einem Traum wirkt, ist Geburt, Kreation und Manifestierung – vielleicht sogar Menschwerdung? Under The Skin offenbart bereits in den ersten Minuten, welches Paradigma dem Film zu Grunde liegt: Absoluter Minimalismus, Ästhetik, Unbarmherzigkeit und eine Reise in die menschlichen Abgründe. Bild, Ton und das Unterschwellige sind stets stärker als das gesprochene Wort.

Under The Skin ist der dritte Spielfilm von Jonathan Glazer, der bereits zuvor mit Sexy Beast (2000) und Birth (2004) die Kritiker überzeugen konnte. Glazer produzierte neben diesen zwei Spielfilmen aber auch Werbe- und Musikvideos (unter anderem für Radiohead und Massive Attack). Nun sollte mit Under The Skin die quasi Literaturverfilmung des Buches Die Weltenwanderin von Michel Faber folgen.

Verführung und Einsamkeit

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When was the last time you touched someone?

Im Grunde ist die Geschichte von Under The Skin in zwei oder drei Sätzen beschrieben: Ein Alien – gespielt von Scarlett Johansson – ist auf der Jagd. Das Ziel sind Männer, einsame und damit leicht zu verführende Männer. Sie tut dies mit akribischer Gewissenhaftigkeit, ihr Alltag und ihr ganzes Sein ist darauf angelegt. Wo der Körper Verführung ist, schaltet der Geist aus. Doch die Zweifel wachsen und schließlich meldet sich das Gewissen.

Obwohl die Geschichte anfänglichen trivial klingen mag, besitzt sie ungemein viel Tiefe. Der Guardian hat mit seinen Worten, dass Under The Skin eine eisige Parabel über Liebe, Sex und Einsamkeit ist, absolut recht. Die eisige und unterkühlte Atmosphäre geht dabei nicht nur von der schottischen Landschaft und dem fast immer präsenten Regen aus. Die exzellente Wahl der Bilder, die Kameraeinstellungen und die absolute Gleichgültigkeit des von Scarlett Johansson gespielten Aliens, haben ebenfalls großen Anteil an der eigentümlichen Atmosphäre und machen den Film zu etwas Besonderem.

Als Zuschauer wird man nicht abgeholt und an die Hand genommen. Man muss sich selber einen „Weg“ durch die omnipräsente Schwere des Films bahnen und sich dem Film gewissermaßen stellen. Under The Skin ist in der Weise unbequem, als das er mit gängigen Konventionen bricht und aus der Perspektive des unbekannten Aliens heraus, sich nicht immer ein roter Faden erkennen lässt. Die visuelle Ebene ist eine Sache, was man dann aber mit den Bildern, der Musik, der erzeugten Atmosphäre und letztlich mit seiner Weltsicht daraus macht, ist nicht unbedingt in Worte zu fassen und jedem selbst überlassen. Under The Skin wird an diesem Punkt zu einem Experiment, zu einem visuellen Kunstwerk.

Under The Skin: Verstörend, beklemmend und bizarr

Under The Skin ist also kein konventioneller Science-Fiction-Film. Während man The Signal locker dem Independent zuordnen kann, ist bei Under The Skin eine Zuordnung nicht ohne Weiteres möglich. Die Bilder zeigen uns fast ausschließlich alltägliche Situationen und kein Alien, welches in einer futuristischen Umgebung agiert. Sie ist als Mensch abgebildet und fährt zunächst zielstrebig durch die schottische Landschaft. Dabei kann ihr weißer Lieferwagen als so etwas wie das „Raumschiff“ verstanden werden, eine Beobachtungs- und Ausspähmöglichkeit, in die schließlich die Männer und damit die Opfer gelockt werden. Die Kameraeinstellungen lassen das innere des Fahrzeuges als Cockpit erscheinen, als Schaltzentrale und Zufluchtsort. Auch der unbekannte männliche Alien, welcher eine Art Patron oder Aufseher zu seien scheint, hat keine futuristische Ausrüstung und bleibt ein Mysterium in Menschengestalt. Die Motorradkleidung dient als Zeichen der Stärke und der Entschlossenheit. In einem Kampfanzug und in rasender Geschwindigkeit, geht es für ihn wachend durch Schottland.

Selbst der Ort, den die Männer betreten, jedoch nie wieder verlassen, bedient sich Andeutungen und bleibt nebulös. Bis zuletzt ist es der Wunsch nach Nähe und Begierde, die die Opfer in einen erotischen Traum zieht und nie wieder loslässt.

You don’t want to wake up, do you?

Die dokumentarisch anmutenden Aufnahmen des schottischen Glasgow wissen zu gefallen und machen Lust darauf, die schottische Stadt einmal persönlich zu besuchen. Besonders stechen aber die Landschaftsaufnahmen heraus, die die depressive Grundstimmung des Films hervorragend einfangen. Die Aufnahmen der Landschaft spiegeln die Unwirklichkeit, vor allem aber die Zerrissenheit und Einsamkeit der Hauptfigur, als auch ihrer Opfer wieder. Die fehlende Geborgenheit, die rauen Züge des menschlichen Seins und schließlich die Abwesenheit von menschlicher Wärme zeigen sich in Bild und Ton. Sinnbildlich dafür steht unter anderem auch die Szene mit Adam Pearson, die gleichermaßen die Problematik des menschlichen Miteinanders, Ablehnung und Abscheu, aber auch Hoffnung vereint. Unglaublich intensiv und schwer in Worte zu fassen.

Trailer zu Under The Skin

Fazit zu Under The Skin

Under The Skin ist verstörend, bizarr und faszinierend. Ein Film, der oft eher an ein Theaterstück und an eine Performance erinnert. Under The Skin funktioniert daher nicht zwischendurch, mal eben beim Abendbrot oder vor dem zu Bett gehen. Der Film verwirrt und fordert den Zuschauer. Ein wahnsinniger Trip durch die Gefühlswelt, von Einsamkeit und Kühle geprägt, mit tollen Bildern und einer hypnotischen Musik unterlegt. Aus der Perspektive des Aliens wirkt alles zunächst unwirklich und dennoch zeigt uns Under The Skin menschliche Abgründe auf. Ein trauriger und kühler Blick auf das menschliche Sein, kunstvoll inszeniert.

Ab dem 10. Oktober 2014 ist Under The Skin als DVD und Blu-ray erhältlich! Hier geht es zum deutschen Trailer.

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