Better Call Saul: Staffel 1 – Kritik und Analyse der Faszination James McGill

Nils 19. April 2015 4
Better Call Saul: Staffel 1 – Kritik und Analyse der Faszination James McGill

Vielen ist James McGill als der korrupte Anwalt Saul Goodman aus „Breaking Bad“ bekannt. Mit „Better Call Saul“ will Vince Gilligan den Weg des Trickbetrügers zum Star der organisierten Kriminalität nachzeichnen. Nach der ersten Staffel stellt sich die Frage, ob er damit überzeugen kann oder lediglich eine billige Fortsetzung des erfolgreichen Originals abliefert.

„It’s over“ – oder doch nicht?

Es ist so weit! Die erste Staffel des „Breaking Bad“-Spin-offs „Better Call Saul“ hat mit der Ausstrahlung der letzten Episode „Marco“ am 7. April ihr vorläufiges Ende erreicht. Bevor die zweite Staffel der fesselnden Serie um den erfolglosen Anwalt James McGill (Bob Odenkirk) voraussichtlich Anfang 2016 prämiert, ist es Zeit auf die vergangenen zehn Folgen zurückzublicken. Zuvor lohnt sich allerdings auch einen Blick auf den ersten Eindruck, den ich nach dem Erscheinen der fünften Folge veröffentlicht habe.

James McGill, das ist Saul Goodman aus „Breaking Bad“. In der erfolgreichen Serie um Walter White, Jesse Pinkman und deren Einstieg in das lukrative, aber ebenso gefährliche Geschäft mit Crystal Meth lernte der Zuschauer Saul das erste Mal in der achten Folge der zweiten Staffel kennen. Bereits damals dürfte der zwielichtige Anwalt, der in der Serie zum Geldwäscher der Wahl der Gauner Albuquerques avancierte, im Gedächtnis der Fans hängen geblieben sein. So verwundert es nicht, dass auch das Ende von „Breaking Bad“, wo sich Saul mit den Worten „It’s over“ von Walter verabschiedet und in ein neues Leben aufmacht, keineswegs mit einem Aus für Odenkirk in dessen faszinierender Rolle verbunden war. Im Gegenteil: Für ihn geht es mit dem Großportrait, das „Better Call Saul“ von Jimmy McGill und seinem Weg zum Kriminellen zeichnet, erst richtig los!

Von Slippin’ Jimmy zu Saul Goodman – Die Faszination James McGill

„Kann es überhaupt ein Leben nach Breaking Bad geben?“ fasste die „Süddeutsche Zeitung“ die Befürchtung vieler Zuschauer, bei „Better Call Saul“ handle es sich bloß um eine geschickte Zweitverwertung der Figuren aus „Breaking Bad“, treffend zusammen. Das dem nicht so ist, hat die Produktion, die bisher lediglich als Prequel zum Original fungierte, bereits eindrucksvoll bewiesen. Zu groß ist die Faszination, die von Jimmys Lebensweg – vom Trickbetrüger Slippin’ Jimmy über den fleißigen, bemühten und trotzdem erfolglosen Anwalt James McGill bis zum skrupellosen Komplizen Saul Goodman in „Breaking Bad“ – ausgeht, als dass es sich Vince Gilligan und sein Team hätten leisten können, einfach alte Geschichten aufzuwärmen.

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Übung macht den Meister… © Ben Leuner/AMC

Doch die Frage bleibt: Was genau interessiert uns an der Figur, was lässt uns schmunzeln und wo stockt uns der Atem? Und vor allem: Was macht „Better Caul Saul“ aus diesem Potenzial? Auch wenn hier keine vollständige Charakterstudie folgen kann, so gibt es doch genug Aspekte in seinem Werdegang, die James McGill auch ohne seine „Breaking Bad“-Referenzen zum rechtmäßigen Star „seiner“ Show machen. Und eine Show ist für Jimmy unglaublich wichtig. Nicht umsonst probt er seine Line „It’s showtime, folks!“ unzählige Male vor dem Spiegel und offenbart so eine Eigenschaft, die bereits in „Breaking Bad“ und hier besonders zum Ende der Serie angedeutet wurde: Unsicherheit und – drastischer Formuliert – Angst. Es ist diese Menschlichkeit, die uns den Anwalt trotz seiner hinterlistigen Betrügereien sympathisch macht. Denn das Betrügen hat er schon von klein auf gelernt: Als Slippin’ Jimmy machte er die schnelle Mark, indem er ahnungslose Kneipenbesucher und Business-Männer auf der Durchreise zusammen mit seinem Kumpanen Marco (Mel Rodriguez) in abgekarteten Settings um ihre Ersparnisse brachte.

Doch Jimmy ist ambitioniert und steigt irgendwann aus dem Gaunerleben aus. Doch auch nachdem er sich auf eine recht eigene Art und Weise seine Zulassung als Anwalt „erarbeitet“ hat, fühlt er sich seinem Bruder Chuck (Michael McKean) nicht ebenbürtig. So bleibt die Beziehung der beiden Brüder, die – abgesehen von ihrer Profession – unterschiedlicher nicht sein könnten, eines der zentralen Themen der späteren Folgen der Serie. In diesem Zuge gehen die Macher der Serie auch der Frage nach, welche Bedeutung Erfolg für Jimmy und sein soziales Umfeld hat und wie unterschiedlich dieser bewertet wird. Obwohl er formal den selben Abschluss wie sein Bruder und die Anwälte bei „Hamlin Hamlin & McGill“ (der Kanzlei, die sein Bruder mitgegründete) hat, kann und soll er nie in deren Ränge aufsteigen und verbleibt so als armselige Karikatur des US-amerikanischen Traums. Im Vergleich zu seinem Freund Marco hingegen ist es Jimmy, der den Ausbruch aus dem trostlosen Vorstadtleben in Illinois bewerkstelligt hat und so – aus Sicht Marcos – „aufgestiegen“ ist.

Zwischen Comedy und Thriller – Eine Serie, die sich selbst finden muss

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© Lewis Jacobs/AMC

Warum ist all das für die Einordnung und Bewertung der Serie von Bedeutung? Mehr als andere Produktionen lebt „Better Call Saul“ von seinen Charakteren und hier selbstverständlich am meisten von seiner Hauptfigur. Nur wenn diese eine Geschichte besitzt, die es wert ist erzählt zu werden, existiert eine Grundlage für eine Serie aus mehreren Staffeln, die den Zuschauer auch nachhaltig fesseln und unterhalten kann. „Breaking Bad“ wurde dadurch und in Verbindung mit einer dynamischen Erzählweise, gewaltsamer Action und absurden Cliffhangern zum Erfolg. Da „Better Call Saul“ letztere missen lässt und sich im Gegenteil beim Erzählen eher Zeit lässt , ist es umso wichtiger auf eine Story zurückgreifen zu können, die diese Behäbigkeit (die nicht unbedingt als Schwäche sondern eher als Herausforderung aufgefasst werden sollte) ausgleicht. Zweifelsohne lieferten die verschiedenen Drehbuchautoren, angefangen bei Vince Gilligan selbst, eine solche Story und so gelingt es „Better Call Saul“ auch ohne vordergründige Lacher, emotionalen Kitsch oder wilde Schießereien den Zuschauer bei Laune zu halten.

Ich muss zugeben, dass mich die zeitweise naiv wirkende Leichtigkeit der ersten Folgen – im Gegensatz zu anderen Kritikern – nicht überzeugt hat oder besser formuliert: Sie hätten für mich keine Fortsetzung in Form einer zweiten Staffel gerechtfertigt. Hier wurde meiner Ansicht nach zu viel Wert auf Komik gelegt und die Erwartung, dass in der nächsten Szene auf jeden Fall Walter oder Jesse um die Ecke spaziert, überstrapaziert. In meinem ersten Eindruck las sich diese Wahrnehmung noch so:

Dafür entfaltet Better Call Saul seine wahres Potenzial in […] den ungewöhnlichen Situationen, in die sich Jimmy begibt und deren Komik seinem Charakter durchaus bewusst ist […].

Es scheint, als müsste ich diesen Eindruck teilweise revidieren: Sicher, die unterschwellige Komik und der Zynismus der Serie haben ihren Reiz, aber die Betonung liegt hier eindeutig auf unterschwellig. Und so wirkt es, als hätten die Macher selbst erst ein vernünftiges Mittelmaß zwischen der Spaßhaftigkeit der ersten Folgen und dem bitteren Ernst von Folgen wie „Five-O“, die fast ausschließlich Mike (Jonathan Banks) gewidmet ist, finden müssen. Dies ist besonders in den letzten Episoden durchaus gelungen und man hat das Gefühl, die Serie sei bereits in dieser kurzen Zeit gereift und erwachsen geworden – ein gutes Zeichen!

Vieles ist bekannt, aber Rätsel bleiben

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Technisch gesehen bleibt Gilligan seinem Stil übrigens treu: Auch in „Better Call Saul“ werden wir mit langen Einstellungen konfrontiert, die in Verbindung mit den teilweise ungewöhnlichen Kameraperspektiven ihre Wirkung entfalten, und so beispielsweise unsere Aufmerksamkeit auf Details lenken, die uns sonst möglicherweise entgangen wären. So fällt besonders auf, dass in Dialogen vielfach eine Einstellung verwendet wird, anstatt in der sonst üblichen Schuss-Gegenschuss-Perspektive abwechselnd den jeweiligen Sprecher zu zeigen.

Ein kleines Rätsel bleibt allerdings nach wie vor die Rolle Mikes, den wir ebenfalls aus „Breaking Bad“ kennen. Wie bereits angedeutet ist die Folge 6 „Five-O“ fast ausschließlich ihm gewidmet und beleuchtet in düsterer Copland-Manier dessen Vergangenheit als Polizist und besonders die Geschichte seines Sohnes. Obwohl die Folge als solche durchaus spannend ist und mir gut gefallen hat, kann sich der Zuschauer des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier lediglich um eine kurze Unterbrechung der eigentlichen Handlung handelt, um – nach einem Ausflug in die finstere Welt Mikes – schnell wieder ins sonnige Albuquerque zurückzukehren und so einen gewissen Kontrast zu erzeugen. In diesem Sinne kann man auch Jonathan Banks Äußerung in einem Interview verstehen, wo er sagte: „Mike ist aber definitiv eine Figur, die immer ein düsteres Element mitbringt“.

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© Ben Leuner/AMC

Nicht an „Breaking Bad“ zu messen – Und trotzdem sehenswert!

Sehenswert ist die erste Staffel von „Better Call Saul“ allemal. Und wer einmal angefangen hat, wird nicht darum herum kommen, auch Anfang 2016 wieder einzuschalten. Beides ist vor allem der starken schauspielerischen Leistung Odenkirks zu verdanken, der es schafft, die verschiedenen und teilweise konträren Charakterzüge Jimmys – zum Beispiel Unsicherheit und Arroganz sowie Angst und Gewagtheit – glaubhaft in einer Person zu vereinen. Nicht zuletzt tragen auch die ungewöhnliche und doch nachvollziehbare Story sowie die Referenzen zu „Breaking Bad“ dazu bei.

Wer die Serie allerdings ausschließlich an der Geschichte um Walter White und Jesse Pinkman misst, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Dabei ist „Better Call Saul“ nicht zwangsweise schlechter, sondern fühlt sich einfach in einem anderen Genre zu Hause. Besonders gespannt dürfen wir so vor allem auf den weiteren Weg James McGills sein, der auch am Ende der ersten Staffel noch weit von seinem späteren Ego Saul Goodman entfernt zu sein scheint.

*affiliate Link / Beitragsbild: (c) AMC

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