Filmkritik zu „Draußen in meinem Kopf“ mit Samuel Koch

Anja Werth 2. Mai 2018 0
Filmkritik zu „Draußen in meinem Kopf“ mit Samuel Koch

Mit dem Film Draußen in meinem Kopf gelingt es Regisseurin Eibe Maleen Krebs den Zuschauer einfühlsam und doch eindringlich an ein bedrückendes Thema heranzuführen. Ihr Film beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Hauptdarsteller Samuel Koch ist seit seinem tragischen Unfall in der Fernsehshow Wetten, dass …? im Jahr 2010 querschnittgelähmt.

Christoph (Nils Hohenhövel) absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr und wird dem jungen Sven (Samuel Koch) zugeteilt, der an Muskeldystrophie leidet. Sven kann sich nicht bewegen und ist damit auf eine intensive Pflege angewiesen. Erst mit der Zeit wird Christoph außerdem bewusst, dass der 28-Jährige Sven bald sterben wird, weil seine Lungen nicht mehr richtig funktionieren. Entsprechend hört dieser am liebsten Bachs Lied „Komm, süßer Tod“, was anfangs im Film noch verstörend wirkt mit der Zeit aber das Ganze abrundet. Denn seine Angst vor dem Tod wandelt Sven in eine Sehnsucht nach Erlösung durch den Tod um. Die erste Begegnung zwischen Sven und Christoph verläuft schwierig. Der empathische und enthusiastische Christoph zeigt sich mitleidig und hilfsbereit, läuft damit jedoch erst einmal ordentlich vor die Wand. Denn Sven ist zwar gelähmt, zeigt sich aber sehr souverän und selbstbewusst. Keineswegs will er als „Kranker“ wahrgenommen werden.  Sven verweigert das Essen, das sein neuer Pfleger ihm gibt. Hier zeigt sich, wie wunderbar der Film es schafft durch eine einzige Kopfbewegung eine entscheidende Aussage zu treffen. Langsam nähern die beiden jungen Männer sich schließlich doch an und der Film zeigt zwischen harschen Dialogen und verbissenen Blicken, bewegenden Gesprächen und schwierigen Annäherungsversuchen auch sehr intime Momente, die mitunter leicht ins Erotische kippen. Vor allem die gemeinsame Duschszene und ihr Ausgang offenbaren eine zwischen Wut, Angst, Sehnsucht und Anziehung schwankende Aura.

Immer wieder fragt man sich, warum Christoph der Umgang mit Sexualität im Allgemeinen so schwer fällt. Er, der sie doch laut eines trotzigen Spruches des offenbar neidischen Svens ganz leicht haben könnte,  verdrängt sie aus seinem Leben. Deutet das neben dem peinlichen Erlebnis mit einer Jugendliebe auf ein traumatisches Erlebnis hin? Jedenfalls interessiert Christoph sich auch nicht für die Pflegerin Louisa (Eva Nürnberg), in die Sven verknallt ist und die wiederum an Christoph Interesse zeigt – zum Ärger von Sven.

Svens Bedürfnis nach körperlicher Nähe dringt in mehreren Szenen durch und konfrontiert den Zuschauer mit der Frage, wie eine solche Sehnsucht am besten gestillt werden könnte. Die Müll-Plastiktüten erscheinen dahingehend als fragliche Maßnahme, doch vielleicht klärt sich dies, wenn Christoph am Ende Svens letzten Wunsch erfüllt, und ihn in eine Mülltonne legt. Im übertragenen Sinne scheint es wohl eine Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit behinderten Menschen zu sein. Oder steht die Sinnfrage hier im Raum, von der er kurz vorher noch spricht, also die, inwieweit er sein Leben mit einer solchen Behinderung als sinnvoll erleben kann? Christoph antwortet, dass Sven für ihn wichtig ist. Doch Sven meint, das sei etwas anderes. Christoph steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

Als Christoph Sven auf seinen Wunsch hin erzählt, was draußen vor dem Fenster so alles geschieht, merkt man, wie banal das Geschehen dort eigentlich ist. Das „Draußen“ findet in seinem Kopf statt, erklärt Sven. Deshalb braucht er nicht mehr nach draußen zu gehen.

Nils Hohenhövel, für den es –  genau wie für Samuel Koch – die erste Rolle in einem Kinofilm ist, scheint wie geschaffen für die Figur des einfühlsames Pflegers, dem nicht nur am körperlichen, sondern auch am seelischen Wohl seines Patienten liegt. Er verkörpert eine energische Sensibilität, und harmoniert mit dem zwischen Abhängigkeit, Verbitterung und Eifersucht schwankenden Sven, der sich verbal gut durchzusetzen und damit seine körperliche Schwäche auszugleichen weiß. Samuel Koch bringt dieses Gefühlschaos sehr gut rüber.

Der Film läuft seit dem 26. April im Kino.
Filmdauer: 99 min

Der aktuelle Trailer zu „Draußen in meinem Kopf“:

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