Heimspiel – Das Regensburger Filmfest: Festivalpreview

Simon Fluck 2. November 2016 0
Heimspiel – Das Regensburger Filmfest: Festivalpreview

In seinem achten Jahr – vor allem mit Blick auf das veröffentlichte Programm – scheint das Heimspiel Filmfest (16.11 – 23.11.2016) sich endgültig gefunden zu haben. Denn nicht, wie bei den meisten großen Festivals dieser Art, wird hier vornehmlich auf Filmpremieren gesetzt, sondern vielmehr mutet der Gedanke einer umfassenden Assemblage des vergangenen Kinojahrs und noch darüber hinaus als Leitmotiv an. Wahrscheinlich auch der Größe des Festivals geschuldet, werden hier zu großen Teilen Filme, die über die eigentliche Kinoauswertung hinaus sind und auf einen DVD-Start warten oder Filme, denen eine Kinoauswertung größtenteils verwehrt blieb kuratiert. Das Programm speist sich beispielsweise aus dies- und letztjährigen Festivalbeiträgen aus Cannes, Toronto oder Locarno, Filmen aus dem regulären Kinobetrieb – Filmen, die es wert sind, noch einmal ins Gedächtnis gerufen und auf der Leinwand verfügbar gemacht zu werden. So ist es aber gerade diese „Best-of“-Ausrichtung des Festivals, die bestimmten Filmen über den meist sehr kurzlebigen Kinorhythmus hinaushilft und das Festival in dieser Art so interessant macht.

Neben den Sektionen „Internationale Highlights“, „Special Screening“ und „Deutsche Highlights Plus“, die allesamt Filme aus diesem oder letzten Jahr beinhalten, offenbaren die historische Sektion „Cinema Feminin“ und die beiden Hommagen aber den eigentlichen Schwerpunkt des Festivals – den deutschen Film. Dieser fungiert – sowohl im Kino- als auch Fernsehformat – in den ersten Jahren des Festivals als eigentliche Grundlage desselben, ehe der internationale Kinofilm einige Jahre später ebenfalls Einzug erhält. So zeigt sich das Festival bis heute prädestiniert – ohne dabei die vielseitigen Vorteile einer Großstadt zu genießen -, dem vielfach unterschätzten deutschsprachigen Film und seinen Machern eine Bühne zu bieten und eine breite Rezeption zu ermöglichen. Im letzten Jahr beispielsweise durch Edgar Reitz, Ulrich Seidl, Rudolf Waldemar Brem, Jan Soldat oder Peter Fleischmann. Dieses Jahr vor allem durch die Hommage zum einen Bibiana Beglaus und zum anderen Joachim Króls wieder stark besetzt, wartet das Heimspiel Filmfest zusätzlich mit zahlreichen weiteren Gästen auf.

Bei der genauen Betrachtung des diesjährigen Programmes zeigt sich vor allem eine eher unkonventionelle Analyse desselben nach Erst-Veröffentlichung als spannend:

Bereits im Kino

Das Heimspiel Filmfest präsentiert eine Reihe von Filmen, die ihre eigentliche Kinoverwertung bereits hinter sich haben, über ihren Zenit bereits hinaus zu sein scheinen. Schaut man sich die Filme jedoch genauer an, wird man schnell feststellen, dass dies Filme sind, die im Kino kaum bis gar nicht wahrgenommen wurden. Beispielsweise der Festivalliebling The Assassin konnte aufgrund einer schlechten Vermarktung kaum Einnahmen an den Kinokassen verbuchen. Auch der durchweg gelobte Creed blieb, trotz Oscarnominierung für einen überragenden Stallone, weit hinter den Erwartungen zurück. In der Sektion der „Deutsche Highlights Plus“ heißen die Äquivalente Herbert mit Peter Kurth, der für seine Darbietung mit dem Deutschen Schauspielerpreis ausgezeichnet wurde oder Wild von Nicolette Krebitz, der durch seine experimentelle und kompromisslose Darstellung einer Mensch-Tier-Beziehung viel Kritikerlob einfahren konnte.

So eröffnet das Heimspiel Filmfest Zuschauern die Möglichkeit, nicht nur möglichst aktuelle Filme, sondern auch jene, die in der unaufhaltsamen Rotation des Kinoprogrammes zu wenig Beachtung erfahren haben, im Kino wiederzuentdecken.

Kinoauswertung?

Im letzten Jahr ging ein Aufschrei durch die deutsche Kinowelt – der Grund: Jonathan Glazers weltweit gefeierter Under the Skin. Neben einer üblichen Festivalauswertung, sollte der Film vorbei an den deutschen und österreichischen Kinos Direct-to-DVD in die Regale wandern, nicht also in den regulären Kinobetrieb aufgenommen werden – der deutsche Filmmarkt und seine Zuschauer seien nicht geeignet für ein so künstlerisches Werk. Dass der Film durch die Initiative verschiedener Kinos dann doch ins Kino kam, verpasste der einen Seite Genugtuung und der anderen ein blaues Auge. Doch auch im nächsten (diesen) Jahr zweifelte man von anderer Seite an den Kompetenzen des deutschen Zuschauers. The Lobster und Saul Fia kamen so zaghaft ins Kino, dass man davon kaum Notiz nahm und beide mit miserablen Einnahmen wieder von der Bildfläche verschwanden. Ob letzter ohne den Gewinn des Oscars überhaupt ins Kino gekommen wäre, ist noch eine andere Frage. Nun nimmt sich das Heimspiel Filmfest, wie im letzten Jahr Under the Skin, auch diesen beiden Filmen an und ermöglicht ein kleine, wenn auch symbolisch starke „Wiederveröffentlichung“. Ebenfalls im Fokus einer Direct-to-DVD-Veröffentlichung steht das mehrfach ausgezeichnete englische Kriegsdrama Kajaki oder zu Deutsch: Kilo Two Bravo. Ein Film, der die Hoffnungslosigkeit des Kriegs explizit an einer zwar kaum zu fassenden, aber wahren Geschichte spiegelt und uns die Brutalität der Mine als Kriegswaffe vor Augen führt.

Premieren

Mit nach eigenen Angaben 33 Regensburg-Premieren, ist etwa die Hälfte des Programms aus aktuellen Filmen nationaler und internationaler Festivals kuratiert. Und dass nur ein einziger Blick in das Programm genügt, um zu merken, dass das keine Filme aus der zweiten, sondern der allerersten Reihe sind, ist dabei so erstaunlich, wie beglückend. Dort reiht sich Park Chan-Wooks The Handmaiden an Jim Jarmuschs Paterson, Personal Shopper von Olivier Assayas und Elle von Paul Verhoeven. Ulrich Seidl ist mit Safari erneut auf dem Heimspiel Filmfest vertreten und mit den visionär-eindringlichen Filmen Évolution und Childhood of a Leader, die bis jetzt beide noch keinen deutschen Starttermin haben, Teil einer großartigen Zusammenstellung internationaler Festivalerfolge.

Historische Sektion

Die jährlich wechselnde historische Sektion widmet sich ausschließlich dem deutschen Film – in diesem Jahr dem so betitelten „Cinema Feminin“. Sechs Filme, die entweder aus Frauenhand stammen oder eine klischeebefreite, starke Frauenfigur behandeln. Dort findet sich unter anderem neben dem 1931 entstandenen Mädchen in Uniform, auch Lotte Reinigers Die Abenteuer des Prinzen Ahmed oder Margarethe von Trottas Die bleierne Zeit. Dass die Ausrichtung der Sektion genau den Kern der Zeit trifft, zeigt sich nicht nur an den verschiedenen Initiativen neu entstehender weiblicher Filmkollektive, wie des International Collective of Female Cinematographers (ICFC), sondern auch an der, das normale Festivalprogramm betreffend, relativ hohen Anzahl weiblicher Regisseurinnen, wie beispielsweise Maren Ade, Nicolette Krebitz, Anne Rose Holmer, Lucile Hadžihalilović, Deniz Gamze Ergüven oder Leonie Krippendorf.

Das Heimspiel Filmfest liefert in seiner Art – auch der familiären Atmosphäre vor Ort wegen – ein Festivalerlebnis, das sich so bei größeren Festivals dieser Art nicht einstellt. Die Preise für eine Dauerkarte (40 bzw. 30 Euro) sind im Hinblick auf das herausragende Programm und acht Festivaltage ein Grund mehr, der wunderschönen Stadt an der Donau einen Besuch abzustatten.

Das Festival geht vom 16.11 bis. 23.11.2016.
Mehr Infos auf der offiziellen Homepage: http://www.heimspiel-filmfest.de

Der Festivaltrailer zum Heimspiel Filmfest:

Beitragsbild: © WILDBUNCH/HEIMSPIEL FILMFEST