Es ist schon ein sehr einprägsames Bild, ja ein absurd erscheinender Moment, den der Isländer Benedikt Erlingsson in seinem Langspielfilmdebüt als Regisseur dem Publikum da beschert. Der wohlhabende Farmer Kolbeinn (Ingvar E. Sigurdsson) reitet auf einer Islandstute vor den Augen seiner Angebeteten, Solveig, in anmutigem Tölt davon, als sein Pferd plötzlich innehält und von einem Hengst besprungen wird. Er schafft den Absprung nicht rechtzeitig und muss die Prozedur über sein Pferd ergehen lassen, während das entfernte Aufblitzen der Ferngläser die Absenz von Intimität verdeutlicht. Zu Hause angekommen, erschießt Kolbeinn die Stute mit seinem Gewehr und meidet vorerst jeglichen Kontakt zu Solveig (Charlotte Bøving).
Das ist die erste von mehreren Episoden „[…] um Geschichten von Menschen, von ungezügelten Menschen“, so Erlingsson. Fast jede beginnt mit einer Nahaufnahme des Pferdefells und einem anschließenden Blick in das Auge dieser Tiere, in dem sich Zäune und Menschen spiegeln, Objekte, die das Leben dieser Lebewesen bestimmen. In einer weiteren Episode reitet einer der Dorfbewohner mit einem Pferd ins kalte Wasser, um Wodka von einem russischen Schiff zu kaufen. Dass er keinen Wodka erhält, sondern zwei Trinkbehältnisse mit 96%igem Alkohol, versteht er nicht. Tod durch Alkoholvergiftung. Das Pferd, inmitten einer schönen Landschaft, ist ohne Reiter. Gestorben wird auch in der nächsten Geschichte. Ein wildgewordener Trecker-Fahrer wird nach der Verfolgung zweier Pferde und ihrem Besitzer einen Hang hinabstürzen, während der Spanier Juan bei einer Reit-Tour verloren geht und sich gezwungen sieht, sein Pferd zu töten und auszuweiden, damit er dem Kältetod entgeht. Beim jährlichen Gruppenausflug, um die Pferde einzufangen, kommt es erneut zum Akt in freier Natur, diesmal aber zwischen Solveig und Kolbeinn, der die Zügel seines lebhaften Hengstes nicht loslässt. Die Fernstecher der Beobachterinnen sind natürlich immer griffbereit.
Von Menschen und Pferden handelt nicht nur „[…] von ungezügelten Menschen“, sondern auch vom zum Teil ambivalenten Verhältnis zwischen Mensch und Pferd, aber ebenso von Island selbst, einem Land, dessen Kultur dem Autor dieser Kritik gänzlich unbekannt ist. Die humorvollen, ja absurden Momente des Films speisen sich aus kulturellen Differenzen. Wenn der Edelmann Kolbeinn im Tölt dahergeritten kommt, mag es den Nicht-Islandkenner amüsieren, doch die potenzielle Ahnungslosigkeit von Land und Leuten ist das Glück des Films, denn erst durch die Unwissenheit kommt die Absurdität so mancher Szene zum Tragen.
Erlingsson gelingt ein Werk voller Komik und Dramatik. Islandpferd und Einwohner erarbeiten sich den Ruf eines sui generis, denn sie scheinen krude, sehr krude, aber doch sympathisch, wenn nicht gar liebenswürdig zu sein. Willkommen auf Island.
Von Menschen und Pferden erschien am 25. Juni auf DVD und Blu-ray.
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