„Once Upon A Time In Hollywood“ (2019): Kritik zum neuen Tarantino-Film.

Philipp Schmidt 17. August 2019 0
„Once Upon A Time In Hollywood“ (2019): Kritik zum neuen Tarantino-Film.

Er wollte sie wohl schon für Inglourious Basterds (2009). Beide. Jetzt hat er sie bekommen. Für seinen neunten Film (bei keinem Anderen wird so aufmerksam mitgezählt) konnte Kult-Regisseur Quentin Tarantino Leonardo DiCaprio und Brad Pitt gewinnen. Zum ersten Mal sind beide gemeinsam auf der Leinwand zu bestaunen. Herausgekommen ist ein kurzweiliger, typischer Tarantino – trotz über zweieinhalb Stunden Laufzeit.

Worum geht’s? Es geht um Film und Filmgeschichte. Es geht um Hollywood, wo diese Geschichte mit geschrieben wurde und wird. Und es geht um die Träume derer, die dort arbeiten oder besser: gearbeitet haben. Denn wir befinden uns im Jahr 1969. Rick Daltons (Leonardo DiCaprio) Karrierekurve zeigt nach unten. Zusammen mit seinem Stunt-Double und Kumpel Cliff Booth (Brad Pitt) kann er sich seine Rollen nicht mehr aussuchen. Es reicht nur noch für abgehalfterte Bösewichte in zweitklassigen Western-Streifen. Aber Rick lässt sich nicht unterkriegen – nur ab und zu übermannen ihn seine Gefühle. Es geht aber auch um die Aufsteiger: nämlich um die junge Sharon Tate in Person von Margot Robbie, die mit Roman Polanski (Rafal Zawierucha) liiert ist. Die einen steigen ab, die anderen auf und die Wege kreuzen sich im Cielo Drive, wo Tate neben Rick auf dem Nachbargrundstück residiert und doch unerreichbar bleibt.

Obwohl der Plot dann gute zwei Stunden lässig vor sich hincruist wie Cliff am Steuer seines Cadillacs, wird einem nie wirklich langweilig – schon gar nicht den Tarantino-Fans. Denn da sind unzählige skurrile und urkomische Szenen wie etwa jene, in denen Cliff sich mit dem leibhaftigen Bruce Lee (Mike Moh) anlegt. Es gibt aber auch Momente, in denen man das Können Leonardo DiCaprios als Rick Dalton bewundert: zum Beispiel, wenn wir in einem nicht enden wollenden Saloon-Take Zeuge werden, wie er ständig zwischen der Rolle eines Western-Bösewichts und sich selbst pendelt. Er lässt uns spüren, wie viel körperliche Arbeit sein Schauspiel ist und erinnert uns mit seinen funkelblauen Augen an Charles Bronson. Man ist auch ständig damit beschäftigt, im Referenzen-Feuerwerk am Ball zu bleiben. Das reicht von subtilen Verweisen wie dem Namen Jean Sebergs in einem Kinoprogramm bis hin zum Auftritt von Homeland-Star Damian Lewis als Steve McQueen, der sich auf einer Party in der Playboy Mansion nach Sharon Tate sehnt.

Once Upon a Time in Hollywood ist eben auch ein typischer Tarantino, was sich in seiner Obsession für Lebensmittel zeigt. Was in Pulp Fiction (1994) der Burger, was bei den Basterds der Apfelstrudel und bei Django Unchained (2012) das frisch gezapfte Bier war, das sind hier die Bloody Marys mit brachialen Selleriestangen. Es zeigt sich zudem in der Liebe zur – nicht zuletzt deutschen und italienischen – Sprache, die Once Upon a Time in Hollywood zur Schau stellt. Das Englisch mit asiatischer Färbung, das die Figur des Bruce Lee rhetorisch brillant vorträgt, ist dafür genauso Beleg wie zahlreiche Wortwitze („Carryin‘ his load? Yeah it’s about right.“). Und die Misshandlungen der Sprache von „paparazzos“ bis „Der Wiener Schnitzel“ gehören auch dazu.

Das alles ist unterhaltsam und entlockt mehr als einmal ein Schmunzeln. Das alles ist aber auch spannend – was daran liegt, dass unter der banal-heiteren Geschichte ein Feuer lodert – in der Figur des Charles Manson. So weiß der informierte Zuschauer, dass Sharon Tate und Andere von Mitgliedern der Manson Family in eben jenem Cielo Drive ermordet wurden. Auch das war der Summer of ’69, das Ende der Swinging Sixties. Und Tarantino versteht es wie wenige Andere, bei aller Nostalgie (dass es einen tollen Soundtrack gibt, muss nicht erwähnt werden) dieses Feuer immer wieder anzuheizen. Er tut das durch die Einblendung immer genauer werdender Zeitangaben („8. August 1969, 12:30 Uhr“). Er tut das außerdem durch formal perfekte, klassische Suspense-Szenen. Ständig fragt man sich, ob, wann und was passiert. Und sicher ist nur, dass etwas passiert.

Quentin Tarantino hat in seinen letzten Filmen große Themen in großangelegte Geschichten verwandelt – bei Inglorious Basterds den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus, bei Django Unchained die Sklaverei in Amerika. Durch Überzeichnung und mit Ironie hat er sie mit größtmöglicher Leichtigkeit erzählt. In Once Upon a Time in Hollywood sind diese Geschichten nur Filme im Film. Das schafft zwar Ironie, reichlich Möglichkeit zur Reflexion und ist so lustig wie selten zuvor ein Tarantino-Film. Was aber Tarantino-Filme der letzten Jahre bei allem Klamauk immer wieder ausgezeichnet hat, war die existenzielle Ernsthaftigkeit, die plötzlich aus dem Banalen hervorbricht. Man denke etwa an Christoph Waltz SS-Offizier Hans Landa, der einen Bauern zunächst für seine Milch lobt, um ihn dann erbarmungslos zu verhören – oder an DiCaprios Plantagenbesitzer Candy, der nach einem flachen Dinner-Gespräch schlagartig zur angewandten Phrenologie übergeht. Diese Dimension geht Once Upon a Time in Hollywood völlig ab. Und deswegen hat man am Ende auch nicht dieses besondere Gefühl, ein Kunstwerk gesehen zu haben, das etwas auf genau die richtige Art und Weise vergegenwärtigt: so leichtfüßig und harmlos wie möglich, so unerbittlich wie nötig. Ob man den neu(nt)en Tarantino letztlich trotzdem gesehen haben sollte: Ich denke schon!

Once Upon A Time In Hollywood läuft seit dem 15. August 2019 in den deutschen Kinos.

Beitragsbild und Video (c) Sony Pictures.

„Once Upon A Time In Hollywood“ (2019): Kritik zum neuen Tarantino-Film.

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