„The Drop – Bargeld“ Kritik: Kleinkriminelles Scharmützel

Bernhard 21. Juli 2015 0
„The Drop – Bargeld“ Kritik: Kleinkriminelles Scharmützel

Tom Hardy sorgte dieses Jahr schon mit „Mad Max“ gehörig für Furore, hatte 2014 aber auch eine Hauptrolle in dem etwas unbemerkten New-York-Thriller „The Drop – Bargeld“. Im Film von Regisseur Michaël Roskam spielt Hardy den Bartender Bob Saginowski, der im Brooklyner Etablissement „Cousin Marv‘s“ seines Cousins Marv (James Gandolfini) Gäste mit Getränken versorgt. Diese wird allerdings an einigen Abenden im Jahr als sogenannte „Drop-Bar“ zweckentfremdet, also als der Ort, an welchem die gesamten illegalen Einnahmen, die die tschetschenische Mafia an eben jenen Abenden erwirtschaftet, wie in einer inoffiziellen Bank zwischengelagert werden. Bob nimmt zu derartigen Gelegenheiten von diversen Mittelsmännern Umschläge an seiner Theke auf und versteckt sie innerhalb der Bar.

Kurz nach Weihnachten wird die Bar von zwei bewaffneten Räubern überfallen, die alle Einnahmen des Abends inklusiver der „Drops“ stehlen. Bob und Marv stehen daraufhin vor dem Problem, den Tschetschenen ihr Geld wiederzubeschaffen, außerdem beginnt sich Kommissar Torres (John Ortiz) für die Vorgänge in der Bar zu interessieren. Darüber hinaus muss Bob auch noch den Pit-Bull-Welpen Rocco aufziehen, welchen er im Müll von Nadia gefunden hat. Diese steht ihm dabei mehr widerwillig als freiwillig zur Seite, trotzdem kommen sich beide über den Hund näher. Wie aus dem nichts taucht dann aber der ominöse Eric Deeds (Matthias Schoenaerts) auf, angeblich Besitzer Roccos, und droht Bob damit, ihm dem Hund abzunehmen.

Am Abend des Super Bowls soll „Cousin Marv‘s“ erneut als „Drop-Bar“ genutzt werden, und alle Parteien haben eine andere Vorstellung vom Ausgang des Abends, Bob will hingegen nur seine Arbeit machen.

Vom Setting und der Story könnte man sagen: Alles schon gesehen. Ein Gangsterfilm in New York, in dem sich verschiedene Kleinkriminelle miteinander in die Haare bekommen, ist wahrlich nichts besonderes im kontemporären Filmgeschäft, da will der Zuschauer schon von einem starken Drehbuch und/oder einer tollen Besetzung überzeugt werden. Bei letzerem weiß der Film durchaus zu bestechen, denn sowohl Hardy, wie auch Rapace, Schoenaerts und der 2013 verstorbene Gandolfini sind (bzw. waren) gefragt in Hollywood. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt, sie interagieren sehr natürlich und scheinen im Spiel wirklich Spaß zu haben, auch wenn alle ein wenig über die Stränge schlagen und bisweilen ins karikierende abdriften.

Bob Saginowski [Tom Hardy] (c) Fox Searchlight PicturesBob Saginowski weiss nicht weiter (c) Fox Searchlight Pictures

Nichtsdestoweniger ist Hardy als auf den ersten Blick einfältiger, introvertierter, fast langweiliger Normalo einfach interessant, weil man ihn sonst nur als einen ausfallenden Haudrauf (siehe Bane in „Batman – The Dark Night rises“) kennt. Hier verkörpert er einen Mitläufer im kriminellen Betrieb Brooklyns, der nichts hinterfragt, dabei aber nicht unsympathisch apathisch wirkt, sondern praktisch veranlagt mit anpackt, wenn seine Hilfe gefragt ist. Sein Charakter Bob ist eine mutige Alternative zu den durchgestylten Gangstern, die die diversen fiktionalen New Yorker Unterwelten der Filmindustrie bevölkern.

Schoenaerts spielt Bobs Gegenspieler Eric Deeds mit dem irren Funkeln in den Augen und verleiht ihm so die gespenstische Aura eines Psychopathen. Allein durch sein paranoides Verhalten hat Deeds etwas zutiefst beunruhigendes, das sich auf den sonst ruhigen Bob überträgt. Und Gandolfini mimt Marv als einen verbitterten, desillusionierten und rechthaberischen Verlierer, der die Übernahme seiner Bar durch die Tschetschenen nach Jahren noch nicht überwunden hat und mit seiner Schwester zusammenlebt.

Nur Noomi Rapace als Nadia bleibt hinter der Leistung des restlichen Ensembles zurück, da sie Nadia sehr gelangweilt und unnahbar darstellt. Auch wenn das zu ihrer Vergangenheit im Film passen mag, bleibt sie insgesamt eher blass.

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Die Story dagegen ist sehr grell und humorvoll gewürzt mit einer Prise Tarantino-Pulp-Fiction-Nonsense-Gesprächen. Da streiten Bob und Marv beispielsweise darüber, ob es Tschetschenier oder Tschetschenen heißt und Deeds erklärt Bob etwas über Chips, die Hunden ihren Besitzern zuordnen. Außerdem scheinen viele Ereignisse spontan und im Zusammenhang mit der Gesamtstory nicht direkt erklärbar, bewegen sich aber noch in der Grauzone zur Logiklücke und sind somit ein Element, das die oft genutzte „Alles-fügt-sich-zusammen“-Auflösung bewusst umgeht.

Da sich Roskam auch für derlei Nichtigkeiten Zeit nimmt, gibt er den Figuren Raum für eine Charakterentwicklung und setzt eine bodenständige Inszenierung durch. So wirkt der Film realitätsnäher und kann auf actiongeladene Sequenzen dann auch weitgehend verzichten.

Die unaufgeregten, blassen Bilder von Brooklyn im Winter legen eine drückende Kälte über das Geschehen, so sind die Protagonisten wiederholt mit gesenktem Blick und Winterjacke unterwegs. Die schönen, gemütlichen Momente dieser Jahreszeit fallen weg, so fordert Marv Bob auf, „die Scheiss-Weihnachtsdeko“ abzunehmen, man hätte ja schon den 27.Dezember. So sind alle Charaktere denn auch winterliche Einzelkämpfer, die isoliert durch die emotionale Kältezone irren, die durch das professionelle Verbrechen allgegenwärtig ist.

„The Drop – Bargeld“ überzeugt auf ganzer Linie: Krimi bleibt schlicht und hebt sich so von all den Gangster-Thrillern ab, die durch unendliche Plot-Twists oder bleigeladene Feuergefechte auffallen wollen. Mit einer eigentlich gewöhnlichen Story und einer minimalistischen Inszenierung erreicht Roskam aber viel mehr als kurzweilige Beachtung: Die Charaktere von „The Drop“ bleiben im Kopf, weil der Film die eindimensionale Ebene typischer Hollywood-Thriller überwindet. Gerne mehr davon!

*AffiliateLink / Beitragsbild und Video (c) Fox Searchlight Pictures

„The Drop – Bargeld“ Kritik: Kleinkriminelles Scharmützel

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