Mit „What Happened and What’s Going On“ hat ein stilistisch geglückter Versuch die zweite Hälfte der fünften Staffel eingeläutet, der meine Gier nach der gewissen Prise Intensität und Spannung jedoch nicht stillen konnte. Meine Hoffnungen, dass die Handlung vorangetrieben wird, lagen deshalb auf „Them“. Und was war am Ende? Pustekuchen.
Der Marsch nach vorne und der Blick zurück
Zu Beginn gibt es die übliche Portion Information, denn offenbar folgte nach Richmond und dem Tod von Tyreese ein Zeitsprung zu den aktuellen Inhalten. Die Gruppe befindet sich weiterhin auf ihrem Weg nach Washington und hat fast die Hälfte der 100 Meilen bewältigt. Scheinbar nicht ohne Schwierigkeiten, die letzte Mahlzeit liegt über einen Tag zurück und der ausbleibende Regen lässt auch die Wasserversorgung problematisch werden. Während ihre Existenz bedroht ist, müssen sie zusätzlich die vergangenen Verluste verarbeiten – was die Stimmung um eine weitere Stufe nach unten drückt.
Sascha scheint auf den ersten Blick relativ souverän damit umgehen zu können, dass ihr Bruder Tyreese nicht länger an ihrer Seite ist. Doch sie spielt nur nach außen die Starke, innerlich ist sie zerrissen. Die Gemeinschaft wird auf ihrem Fußmarsch von einer wachsenden Horde Beißer verfolgt, die sie zunächst ignorieren, da sie ihre ohnehin schwindenden Kräfte schonen wollen. An einer Brücke bietet sich eine energiesparende Lösung, da sie die Streuner leichtfertig die anliegenden Böschungen herunter schubsen können. Doch wie immer, wenn eine clevere Lösung angewandt wird, pfuscht etwas dazwischen – wir berichteten. Diesmal ist Sascha dieser Saboteur, denn ihre angestauten Emotionen arbeitet sie mit dem Messer an den angreifenden Beißern ab. Durch ihr Ausscheren verlässt sie die Ordnung, zwingt den Rest zum Eingreifen und bringt letztlich alle in Gefahr; Daryl kann gerade noch verhindern, dass Rick ein Stück seines Arms verliert. Im Zorn ist sie ihrem Bruder nah, denn dieser schmiss sich seinerzeit selbst in eine Gruppe Streuner, um seine Trauer abzureagieren. Noah fühlt ähnlich wie sie, weswegen Sascha ihn für schwach hält. Er weiß nicht, ob er den Tod von Tyreese verkraftet. Schließlich muss sie sich eingestehen, dass sie genau so empfindet.
Maggie und Daryl leiden weiterhin unter dem Ableben von Beth. Beide verschließen sich gegenüber den Annäherungsversuchen des restlichen Ensembles – zumindest vorerst. Als Rick mit Daryl reden will, wechselt dieser schnell das Thema. Erst später befolgt er den Ratschlag von Carol, seine Emotionen zuzulassen. Er setzt sich von der Gruppe ab, hockt sich an einen Baum und lässt seinen Tränen freien Lauf – was natürlich nicht für eine bessere Laune reicht.
Maggies Trauertherapie verläuft ähnlich: Als Gabriel mit ihr reden will, wechselt sie das Thema. Jedoch etwas rabiater als Daryl, denn sie wirft Gabriel Heuchelei vor, da er immer noch als Mann Gottes auftritt, obwohl er seine Gemeinde nicht vor Beißern gerettet hat. Diese Ansprache scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn Gabriel wirft sein Kollar einige Szenen darauf ins Feuer. Glenn versucht als Zweiter sein Glück bei Maggie und sie öffnet sich ihm zu einem gewissen Teil, allerdings scheint sie ihren Schmerz erst in einem Gespräch mit Sascha verarbeiten zu können. Die zwei Frauen geben sich gegenseitig Halt und bewältigen ihre Qual gemeinsam.
All das ist plausibel und stimmig aufgebaut, bietet jedoch keine neuen Erkenntnisse und präsentiert eher, was im Laufe der Serie bereits einige Male gezeigt wurde; zumal die anfängliche Verschlossenheit wenig Unterhaltung bietet. Die Comics haben es besser verstanden, gezielt von einer Handlungsphase zur nächsten zu gehen und gleichzeitig den Charakteren genug Aufmerksamkeit zu schenken. Die Serie scheint dagegen in ihren Fillerfolgen gefangen zu sein und eher mit Masse als Klasse zu agieren.
Eine andere Sicht auf die Welt
Der deutsche Titel „Lebende Tote“ gibt besser das Leitmotiv der Folge wider. Die Truppe stolpert umher, ohne Empfindungen, abgestumpft von ihrem Leid und verzweifelt auf der Suche nach Essen – wie all die wandelnden Leichen um sie herum. Sie sind Tote, die noch nicht gestorben sind. Eine zweideutige Interpretation des Serientitels, die äußerst niederschmetternd ist im Hinblick auf den weiteren Verlauf. In den Comics hat dieser Moment eine erschreckende Wirkung, da er die Verzweiflung aller Überlebenden bündelt. Es war der Augenblick, in dem Rick das aussprach, was alle dachten und nur nicht wahrhaben wollten: Sie haben bislang überlebt, aber sie sind dem Untergang geweiht und die Welt, die sie kannten, wird es nie wieder geben. Die Serie schafft es nicht, diesen Schlüsselmoment in der gleichen Wucht abzubilden; er wurde eher zu einer Randnotiz degradiert. Dennoch ist es ein bitteres Eingeständnis, das Resignation und den Willen durchzuhalten vereint.
Was bleibt sonst als Erkenntnis der Folge?
Abraham ist trotz der Lüge von Eugene um dessen Wohlergehen bemüht. Als die Gruppe Wasser findet, das ein anonymer „Freund“ hinterlassen hat, will Eugene sich als Vorkoster opfern, woraufhin Abraham ihm die Flasche aus der Hand schlägt und den Test unterbindet.
Nach der Nummer mit dem Modellflugzeug in der letzten Folge haben wir nun den nächsten Augenblick, der gefährlich nah am „jumping the shark“-Moment ist. Die Gruppe zieht sich des Nachts vor einem Gewitter in eine Scheune zurück, die – aus unerfindlichen Gründen – von einer gewaltigen Herde Streuner belagert wird. Und wie durch ein Wunder fegt der Sturm jede Bedrohung weg und lässt die Scheune unangetastet. Manchmal will man sich einfach mit der flachen Hand an die Stirn schlagen.
Als positives Highlight bleibt das Ende, aber nicht, weil die Folge dann vorbei war. In der letzten Szene tritt ein Fremder namens Aaron auf, der sich als Freund ausgibt und die Gruppe gut zu kennen scheint; immerhin weiß er, dass Rick das Sagen hat. Eine Verheißung, dass in der nächsten Folge wieder gezielt die Handlung fortgesetzt wird. Andererseits würde diese Hoffnung nicht zum ersten Mal enttäuscht werden.
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Vorher auf filmverliebt:
The Walking Dead Staffel 5 Folge 9