Letzte Woche endete „The Distance“ mit der Hoffnung, dass Rick seine Familie endlich in Sicherheit bringen kann. Und nun die Erkenntnis: Sieht ganz gut aus. Alexandria entpuppt sich als Villen-Siedlung, in der purer Luxus herrscht. Es ist fließendes Wasser und Strom vorhanden, was natürlich einige Vorteile mit sich bringt: Heiße Duschen, Rick kann sich seinen Rauschebart abrasieren – ja, ihr habt richtig gelesen – und Michonne putzt sich vor Freude erst einmal 20 Minuten die Zähne. Vielleicht eine Möglichkeit für leidgeplagte Eltern: Einfach die lieben Kleinen für ein Jahr in die Wildnis schicken und schon klappt die abendliche Mundpflege problemlos. Carl erhält gar von ein paar Jugendlichen das Angebot, Videospiele zu spielen, woraufhin er fassungslos ein paar Augenblicke braucht, um eine Antwort zu finden. Ein Kulturschock der schönen Art. Diesen Wohlstand erhält die Gruppe, sofern sie sich lediglich an der Arbeit beteiligen, die gerade anfällt. Sechs Kilometer vor Washington D.C. regiert der Kommunismus. Wenn das Lenin wüsste.
Die Vor- und Nachteile der Sicherheit
Die Leitung in Alexandria hat die ehemalige Politikerin Deanna Monroe, die laut eigener Aussage über eine außerordentliche Menschenkenntnis verfügt. Wäre ihre Wiederwahl gescheitert, hätte sie sich als professionelle Pokerspielerin ihre Brötchen verdient. Aber bekanntlich kam alles etwas anders. Ihr Mann war früher Architekt und hat seine Qualitäten genutzt, um eine nahegelegene Baustelle auszuschlachten und den Schutzwall um Alexandria zu errichten. Die Gemeinschaft, die innerhalb dieser Mauern lebt, ist demnach sicher. Und genau hier liegt das Problem.
Die Gemeinschaft scheint schwach zu sein, kein Gespür für die Ernsthaftigkeit der Welt zu haben und Beißer zu unterschätzen. Carl und Carol befürchten deshalb, dass ein Leben in Alexandria ihre Gruppe schwächen würde. Rick hat den Instinkt, die Menschen auf die Gefahr aufmerksam zu machen, wobei er selbst die Bedrohung durch seine eigenen Leute nicht ausspart. Er ist überrascht von derart viel Naivität. Deanna Monroe scheint sich dieser Angelegenheit bewusst zu sein, weswegen sie die Überlebenden in ihre Gemeinde integrieren will, eben weil sie Überlebende sind, die die Schwierigkeiten der Wildnis gemeistert haben – mehr oder weniger.
Integration in unterschiedlichen Interpretationen
Rick und seine Gruppe sind misstrauisch, was ihnen angesichts ihrer Erfahrungen nicht zu verdenken ist. Die Waffenabgabe lassen sie über sich ergehen, jedoch sind sie nicht bereit, sich auf mehrere Häuser aufzuteilen. Die Truppe will zusammenbleiben, falls sich Alexandria doch als Hinterhalt entpuppen sollte. Die Folge steht unter dem Leitmotiv der Resozialisierung. Einige kommen damit gut zurecht, andere haben Anpassungsschwierigkeiten.
Carol ist besonders bemüht darum, sich als schwächliche Frau zu präsentieren, die von der Stärke anderer abhängig ist. Sie hat Probleme, ihr Gewehr von ihrer Schulter zu streifen und verkauft Kochen als ihre einzige nützliche Fähigkeit. Sie täuscht sogar vor, ihren Mann Ed zu vermissen, den sie vor einigen Folgen noch verteufelt hat. Die Carol, die Terminus im Alleingang vernichtet hat, wird hinter einer unschuldigen Fassade versteckt, wodurch sie leicht unterschätzt werden kann.
Daryl hält von diesen taktischen Spielereien nichts. Er zeigt offen seinen Unwillen, sich anzupassen, was angesichts seiner Vergangenheit vor dem Ausbruch der Apokalypse nicht weiter verwunderlich ist. Vielleicht fürchtet er, in der Zivilisation weniger Platz als die anderen zu haben, da er im Gegensatz zu ihnen dort nie zuvor war.
Der Geist von „The Distance“ wird fortgeführt
„Remember“ beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Rick und Co. sich wieder in die Gesellschaft eingliedern können, nachdem sie monatelang alles getan haben, um zu überleben. Regisseur Greg Nicotero gelingt es, diese Stimmung bedrückend einzufangen. Freude über den Komfort kommt nie richtig auf, wie ein Damoklesschwert schwebt bedrohlich die Möglichkeit einer Falle über ihnen. Wenn sie sich in die Gemeinde eingliedern wollen, müssen sie als Preis ihre Abwehrmechanismen abstellen. Es ist erfrischend, dass die Gruppenmitglieder unterschiedlich mit der Situation umgehen. Auch die Idee, die Gespräche zwischen Deanna und den einzelnen Personen auf Kamera aufzuzeichnen und die Aufnahmen wiederholt einzublenden, bringt Abwechslung in die Folge. Endlich dürfen sich Charaktere zu Wort melden, die leider in den letzten Folgen zu oft schweigen mussten, wodurch die Gruppendynamik besser zum Tragen kommt. Alexandria wird in „Remember“ betont harmlos präsentiert. Fast schon zu harmlos. Es kommen Erinnerungen an Woodbury auf, die aufzeigen, dass der Zuschauer selbst durch all die Erfahrungen das Vertrauen in die Menschen verloren hat. Wenn das jetzt mal kein positiver Schluss ist.
Vorher auf filmverliebt:
The Walking Dead Staffel 5 Folge 9