„We were never the problem. We are the solution.“
Nachdem Neil Burger vor ziemlich genau einem Jahr mit „Die Bestimmung – Divergent“ den Zuschauer in die in Fraktionen gegliederte und von deren Gegenspielerin Jeanine (Kate Winslet) beherrschte Welt von Tris (Shailene Woodley) und Four (Theo James) einführte, folgte vor wenigen Wochen die Fortsetzung des – bezogen auf das Einspielergebnis – recht erfolgreichen Blockbusters. Diesmal zeigte sich allerdings nicht Burger, den man vor allem durch „The Illusionist“ und „Ohne Limit“ kennt, verantwortlich, sondern übernahm der Deutsche Robert Schwentke die Regie. Wie auch sein Vorgänger basiert der Sci-Fi-Film auf dem gleichnamigen Roman von Veronica Roth.
Wer den ersten Teil nicht gesehen hat (was für das Verständnis der Handlung durchaus ein Problem darstellen kann): Die voraussichtlich dreiteilige Filmserie spielt in einer zukünftigen Version der US-amerikanischen Stadt Chicago, die – von einem Krieg früherer Generationen zerstört und durch einen scheinbar unüberwindbaren Schutzzaun von der restlichen Welt abgeschirmt – eine kleine Gesellschaft beherbergt. Diese Gesellschaft ist in fünf verschiedene soziale Kasten eingeteilt, von der jede bestimmte Aufgaben übernimmt. Im Alter von 16 Jahren muss sich jeder Bewohner der Stadt einem Aufnahmeritual unterwerfen und sich in diesem Zuge für eine der Fraktionen entscheiden. Während die selbstlosen Altrun die Regierung der Gesellschaft übernehmen, agieren Ferox als Militär und Polizei und stellen Candor Richter und andere Diener der Justiz. Gelehrte und Wissenschaftler finden sich unter den Ken und die grundlegende Versorgung der Bevölkerung stellen die Amite sicher. Für die Protagonisten Tris stellt sich nach ihrer Entscheidung für Ferox allerdings schnell heraus, dass sie in ihrer Persönlichkeit große Anteile aller fünf Kasten vereint. Als eine Unbestimmte (Divergent) werden sie und ihres Gleichen – darunter auch Four, für den Tris schnell Gefühle entwickelt – von Jeanine, die durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen ist, verfolgt und müssen sich zusammen mit einigen Verbündeten einem nahezu aussichtslosen Kampf sowohl gegen den Regierungsapparat als auch gegen innere Feinde stellen.
Während mich der erste Teil als lose Mischung aus „The Hunger Games“ und „Inception“ durchaus fesselte und mir für längere Zeit im Gedächtnis blieb, stellt sich die Frage, ob „Die Bestimmung – Insurgent“ diesen Erfolg tatsächlich fortführen kann oder lediglich der weitergehenden Vermarktung des Erfolgskonzepts dient.
Viel Fragen, wenige Antworten
Im zweiten Teil der Trilogie geht der Kampf gegen das unmenschliche System Jeanines weiter. Während Tris und Four auf der Flucht vor den Soldaten sind, die auf höchste Anordnung alle Unbestimmten finden und hinrichten sollen, versucht Fours Mutter Evelyn (Naomi Watts), Anführerin der Fraktionslosen, einen Krieg gegen die Herrschaft Jeanines zu führen und zu diesem Zweck ihren Sohn sowie die verbliebenen Ferox-Kämpfer, die Four und Tris weiterhin treu sind, zu gewinnen. Währenddessen gelangt Jeanine in den Besitz einer Nachricht der Gründer der neuen, in Fraktionen geteilten Gesellschaft, von der sie glaubt, sie werde ihre Methoden und damit ihre rechtmäßige Herrschaft legitimieren. Als sich herausstellt, dass zum Entschlüsseln der Nachricht eine Unbestimmte gefragt ist, intensiviert das Regime seine Suche nach Tris.
Man mag über den Film selbst denken, was man möchte; feststeht: Wem der erste Teil gefallen hat, den macht „Die Bestimmung – Insurgent“ umso neugieriger, was allerdings nicht unbedingt für Schwentke und sein Team spricht. So wirft der Film neue Fragen auf, ohne viele Antworten zu liefern. Immerhin: Die Frage nach dem Sinn der Fraktionen bzw. der Divergents, die diese Ordnung konterkarieren, wird in den letzten zehn Kinominuten geklärt. Obwohl der Zuschauer die Falschheit und Doppelmoral Jeanines bereits im ersten Teil zu spüren bekommen hat, habe zumindest ich nicht mit dem letztendlich Erklärungsansatz gerechnet – wer den Film noch nicht gesehen hat, darf hier auf jeden Fall gespannt sein!
Ein Plus von „Die Bestimmung – Insurgent“ gegenüber seinem Vorgänger ist außerdem die Einbeziehung der anderen Fraktionen in die Handlung und den daraus resultierenden Kampf gegen das faschistoide Regime. Konzentrierte sich die Erzählung im ersten Teil vornehmlich auf die Fraktionen Altruan, Ferox und Amite, kommen diesmal auch die Vertreter der Ken, Candor und Fraktionslosen stärker zum Zug und werden weniger als gesichtslose Masse dargestellt. Man kann hoffen, dass sich diese Tendenz in „Die Bestimmung – Allegiant, Teil 1“ (der dritte Teil wird aller Wahrscheinlichkeit nach in zwei Filme geteilt) weiter fortsetzt.
In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Während im ersten Teil vor allem ein dem Zuschauer zunächst unbekannter fiktiver Gesellschaftsentwurf, eine bewegende Story verbunden mit weitgehend schusswaffenfreier Action sowie die attraktive Tris von konzeptionellen Schwächen der Handlung ablenkten, werden diese – sicherlich auch dem Roman geschuldeten – Ungereimtheiten nun umso stärker deutlich.
(c) Lionsgate
So findet sich ein eklatanter Widerspruch beispielsweise in der Tatsache, dass die Fraktionszugehörigkeit zwar selbst und weitgehend frei gewählt werden kann, trotzdem aber in irgendeiner Weise biologisch verankert ist oder wird. So kann der hünenhafte Bösewicht Eric (Jai Courtney) mit einem kleinen Gerät, dass er dem Betroffenen an den Kopf hält, in Sekundenschnelle die Fraktionszugehörigkeit oder deren prozentuale (im Ernst?) Abweichung (aka Divergent) feststellen.
Des Weiteren bleibt unklar, warum Jeanine, die für eine gewisse Zeit die Kontrolle über den freien Willen ihrer Gegner erlangt, diese nicht tötet oder unschädlich macht, bevor sie sich von den kleinen Kugeln, die sie kontrollieren, befreien und neu organisieren können. Auch andere Charaktere wirken unglaubwürdig: Besonders Caleb (Ansel Elgort) sticht hier hervor. So verlässt er völlig gefühllos seine Schwester und Four und versucht unter Jeanine Karriere zu machen und verrät dafür auch Tris.
Animationen? Gerne, aber nicht so
Selten sind Bilder so entscheidend wie beim Medium Film. Faszinierte „Die Bestimmung – Divergent“ mit langen, dynamischen Kamerafahrten und actiongeladenen Animationen, die durch einen gelungenen Soundtrack, einer Mischung aus Pop- und Filmmusik, untermalt wurden, hat sich die VFX-Abteilung bei der Fortsetzung weitaus weniger Mühe gegeben. Lediglich die letzte Viertelstunde lässt etwas von der überzeugenden Kameratechnik des ersten Teils erahnen. Viele Animationen wirken unausgereift und der Versuch, durch extrem schnelle (Digital)-Zooms zusätzlich Action zu simulieren, resultiert in absurden Schnitten, die schnell nervig werden. Auch beim Soundtrack hat man nachgelassen: Obwohl teilweise auf die selben Interpreten zurückgegriffen wurde, bleibt die Musik diesmal weniger im Ohr, als dies noch bei der von Junkie XL bearbeiteten Mischung der Fall war.
Trotz allem ein Muss für Fans des ersten Teils
Obwohl der Film mit nicht zu übersehend Schwächen zu kämpfen hat, wird es für Fans des ersten Teils schwer sein nicht ins Kino zu gehen. Und gesehen haben sollte man „Die Bestimmung – Insurgent“ schon – alleine schon dem spannenden ersten Teil zuliebe. Außerdem darf man nicht vergessen, dass einige Ungereimtheiten sicher dem Buch geschuldet sind. Nichtsdestotrotz wird sich eine Fortsetzung immer an ihrem Vorgänger messen lassen müssen. Diesem Vergleich kann der Streifen leider nicht befriedigend begegnen und erfüllt so seine Rolle vor allem als Brücke zum hoffentlich überzeugenderen Teil 3, ohne den „Die Bestimmung – Insurgent“ weitaus weniger sehenswert wäre.
Kinostart in Deutschland war am 19. März.
Beitragsbild: © 2014 Lionsgate