Hannibal Staffel 2: Review (spoilerfrei) und Ausblick auf Staffel 3

Thomas Neumeier 18. Dezember 2014 4

Anmerkung: Staffel-Spoiler gibts nur im letzten Absatz.
War Staffel 1 noch ein Drahtseilakt zwischen einem Prequel zum Buch/Film „Roter Drache“ und Neuinterpretation des Stoffs vonseiten Mastermind Bryan Fuller, macht Staffel 2 zwei Dinge klar:
A: Diese Show geht eigene Wege und münden sicherlich nicht über kurz oder lang an den bekannten Stoff.
B: In dieser Show ist kein Charakter sicher.

Die erste Hälfte der Staffel legt ein unglaubliches Tempo vor. Ließ das Staffelfinale von Season 1 den Zuschauer scheinbar mit (vorerst) vollendeten Tatsachen zurück, belehren uns die ersten Folgen schnell eines Besseren. Von Folge zu Folge verändert sich die Struktur, nur eins bleibt konstant: Hannibal Lecter, gespielt von einem dämonisch beeindruckenden Mads Mikkelsen, ist weder als Mensch noch als Monster greifbar. Glaubt man, ihn wenigstens in Ansätzen durchschaut zu haben, überrascht er ein ums andere Mal aufs Neue. Glaubt man, menschliche Züge wie ein Bedürfnis nach Gesellschaft oder Freundschaft an ihm wahrzunehmen, hält er uns ein ums andere Mal zum Narren. Fullers Team hat ein kongeniales Monster erschaffen, dass uns gleichermaßen abstößt und fasziniert.

Der verstörende Grundtenor, den schon die erste Staffel zelebriert hat, ist in Staffel 2 noch intensiver. Es ist eine pervertierte, farblose Welt, in die Hannibal seine Zuschauer zieht. Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, der Wahnsinn will auch den Zuschauer packen und man fragt sich unweigerlich, ob das nicht der einfachste Ausweg aus dem Albtraum wäre. Suggestive Bilder von ungekannter Intensität warten in jeder Folge auf. Zur Staffelmitte droht die Serie kurzzeitig zu einem bekannten Status-Quo zurückzukehren, doch auch das ist nur eine Finte. Das Tempo der ersten Staffelhälfte wird nicht wiederholt, dafür erwartet den Zuschauer ein schockierendes und ebenso konsequentes Staffelfinale.

Nun potenzielle Spoiler:
.Wer von den vier verblutenden Hauptfiguren das Staffelfinale überleben wird, verrät IMDB schon durch die Castingliste. Die Serie macht damit erneut klar, dass sie sich nur grob an den Storyverlauf aus Harris‘ Bücher hält. Staffel 3 stellt den Zuschauer damit vor eine völlig neue Ausgangssituation. Der Status-Quo ist endgültig abgemustert.

Für eine hypnotisierende wie drastische Serie, die nicht dem Mainstream-Entertainment-Schema folgt, die von fantastischen Schauspielern und ungewohnt suggestiver Bilder lebt, vergibt der Rezensent 4,5 Sterne.

Die zweite Staffel von Hannibal ist seit 4. Dezember im Handel erhältlich.