Die Mieter-Trilogie – Wohnungshorror von Roman Polanski
Wenn die Wohnung, der vertraute und eigentlich schutzgebende Ort, zu einem Hort des Grauen und des Bösen wird, dann befinden wir uns in der filmischen Umgebung der Mieter-Trilogie von Roman Polanski.
Bei der Mieter-Trilogie handelt es sich um eine lose Trilogie, die mit den Filmen Ekel (1965), Rosemaries Baby (1968) und Der Mieter (1976) eine weniger blutige, den vielmehr psychisch-beängstigende und intelligente Filmereihe darstellt. Alle Filme sind um die Wohnung, die eigenen vier Wände herum konzipiert. Zwar unterscheiden sich die Geschichten, jedoch sind es immer wieder ähnliche und auch gleiche Elemente, die diese drei Filme unweigerlich verbinden. Ob Polanski selber den Begriff der Mieter-Trilogie geprägt hat oder ob dies eine Schöpfung von Cineasten ist, ist nicht ganz klar. Letzteres ist wohl sehr viel wahrscheinlicher. Fakt ist jedenfalls, dass die Filme sehr viel verbindet und damit der Begriff der Trilogie durchaus passend ist.
Das Faszinierende an der Mieter-Trilogie ist gewiss die dargestellte Verwundbarkeit der Hauptfiguren gegenüber ihrer Umwelt und der nachvollziehbare Versuch derer, in der vermeintlich schutzgebenden Wohnung eine Zuflucht zu finden. Dort kehrt sich jedoch Paranoia und die Angegriffenheit in Wahnsinn und die Wohnung als eigentlich „letzte Instanz“, als Ort des Schutzes und der Geborgenheit, wird zum Ort des Grauens. Es ist doch eigentlich die Wohnung oder im übertragenen Sinne auch die selbst gewählte Heimat, wo Grauen, Angst und Wahnsinn fern sein sollten. Polanski schafft es mit der Mieter-Trilogie diese Annahme der Geborgenheit der Wohnung auf den Kopf zu stellen und präsentiert uns in den nachfolgend kurz vorgestellten Filmen, feinen und intelligenten Psycho-Horror.
Ekel 1965
Den Anfang der Mieter-Trilogie machte der zu seiner Zeit revolutionäre Psychothriller Ekel (Repulsion) von 1965. Roman Polanski zeichnet dort das Bild einer gebrechlichen Frau, die mit ihrer Umwelt hadert und die von Catherine Deneuve erstklassig verkörpert wird. Ihr Abscheu gegen die Umwelt manifestiert sich vor allem in ihrem Ekel vor Männern, die sie aufgrund ihrer wunderschönen Gestalt auch noch umgarnen. Einzig die Wohnung bietet ihr – zunächst – Zuflucht. Doch selbst dort ist sie vor den Männern nicht sicher. Als ihre Schwester auf eine Reise geht, bricht das labile Gerüst zusammen und der Verstand von Carol scheint sich vollends gegen sie zu verschwören.
[…] Ekel ist ein beeindruckender, verstörender und sehr subtiler Thriller. Die Isolation, Wahnsinn und der Alltagsrorror sind aus der Perspektive von Carol meisterhaft von Roman Polanski inszeniert worden. Sehr sorgsam stellt er die Figur Carol vor und bestimmt damit auch das Tempo des Films, der gerade zu Beginn für den ein oder anderen vielleicht einen Ticken zu langsam erscheinen möge. Doch gerade hier liegt die Stärke von Ekel. Trotz seines hohen Alters hat Ekel wenig von seiner beklemmenden Atmosphäre eingebüßt. […]
Ekel stellt nicht nur das englischsprachige Debüt von Polanski dar, sondern ist auch ein höchst effektives Horror-Psychodrama. Wie in meiner Besprechung ausführlicher steht, ist Ekel schon fast kafkaesk und verlangt dem Zuschauer einiges ab. Man könnte meinen, das Ekel eine gewisse Zähigkeit innehat. Doch Ekel ist unheimlich und sehr „belohnend“, wenn man sich darauf einlassen kann. Mehr zu Ekel erfahrt ihr in meiner Filmkritik zu Ekel.
Rosemaries Baby 1968
Nur drei Jahre später sollte mit Rosemaries Baby ein weiterer Teil der Mieter-Trilogie erscheinen. Dieses Mal ist es nicht primär der Wahnsinn der Hauptprotagonistin, sondern die Verschwörung einer Hausgemeinschaft und der Okkultismus, der Polanski in diesem Film bewegt. Natürlich es dennoch wieder die Wohnung, die hier anfängliche Idylle und Geborgenheit vorgibt, ehe sich das Blatt wendet und dieses in das Grauen umschlägt. Der Verfall von Rosemarie ist ebenso ein Element und sie muss sich die Frage stellen, ob es ihr Verstand ist, der ihr „Streiche“ spielt oder ob es die Menschen um sie herum sind, die für alle Merkwürdigkeiten verantwortlich sind. Die Zerrissenheit und Unsicherheit kann durch die Wohnung nicht kompensiert werden, sondern der Effekt verstärkt wird nur verstärkt. Ein Kultfilm des okkulten Horrors.
[…]Rosemaries Baby ist ein unheimlicher und spannungsgeladener Klassiker des Horror-Genres. Während sich Roman Polanski bei Ekel noch eher dem Verschwimmen von Realität, Wahnsinn und Einbildung bedient, ist Rosemaries Baby weniger “kafkaesk” und verlangt dem Zuschauer nicht so viel ab. Dennoch ist der Film stets beklemmend und weiß dank seiner gelungenen Atmosphäre zu jeder Zeit zu fesseln. Ein Meisterwerk des subtilen Grauens und der Spannung.
Besonders tragisch ist im Kontext von Rosemaries Baby, dass kurz nach der Premiere, seine hochschwangere Frau Sharon Tate, die auch in Tanz der Vampire mitspielte, von Anhängern des Sektenführers Charles Manson zusammen mit einigen Freunden von Polanski ermordet worden ist. Fast wie in einem Horrorfilm, wenn man der Beschreibung des Mordes glaubt, lauerten die Anhänger der Gruppe Sharon Tate auf und ermordeten sie und ihre Begleiter. Sharon Tate hätte nur drei Tage später ihr Kind auf die Welt bringen sollen. Polanski war von großen Schuldgefühlen geplagt und kehrte den USA zunächst den Rücken zu. Ein Grund für seine Abkehr vom Thema des Okkultismus (erst wieder in die „neun Pforten“), mag dieser mehr als tragische Vorfall gewesen sein. Ab 1973 drehte er wieder in Europa und den USA. Mehr zu Rosemaries Baby und wieso auch dies ein sehr guter Film ist, erfahrt ihr in meiner Filmkritik.
Der Mieter 1976
Den Abschluss der Mieter-Trilogie bildet der Mieter (The Tenant) von 1976. Hier nimmt Polanski nicht nur hinter der Kamera platz, sondern mimt auch gleichzeitig die Hauptfigur. Polanski verkörpert einen schüchtern, sehr ruhig agierenden Mieter, der in ein neues Haus gezogen ist und der sich Merkwürdigkeiten ausgesetzt sieht. Denn es scheinen die Nachbarn zu sein, die die von Polanski verkörperte Figur in den Wahnsinn treiben wollen, ganz so, wie es auch seiner Vormieterin ergangen ist. Doch was zunächst wie eine Verschwörung scheint, entwickelt sich zu einem Psychospiel, in dem die Weltsicht der Figur von Polanski nicht mit der Wirklichkeit übereinzustimmen scheint. Werden wir Zeuge einer Psychose oder ist das Haus in wirklich der Hort des Bösen? Mehr zu diesem letzten Teil der Trilogie erfährt ihr in meiner ausführlichen Filmkritik.
Roman Polanski ist mit der Mieter ein Meisterstück gelungen. […] Der Wahn, der Verlust der eigenen Identität, ist selten kaum besser dargestellt worden. Der Mieter zeichnet das blanke Grauen, einen wahren Albtraum und offenbart uns, dass hinter Fassaden von Mietshäusern und ruhigen Durchschnittmenschen, Dinge lauern, die sich niemand vorstellen kann. Beklemmend, düster, fruchteinflößend und ruhig zugleich, das ist der Mieter. Eine unbedingte Empfehlung für alle, die vor außergewöhnlichen Psychothrillern nicht zurückschrecken!
Die Mieter-Trilogie – ein kurzes Fazit
Zweifelsohne gehört die Mieter-Trilogie für mich zu den faszinierendsten Trilogien überhaupt. Selbst wenn man den Begriff der Trilogie im Zusammenhang mit Ekel, Rosemaries Baby und der Mieter nicht nennen möchte, so sind die Filme in ihrer Machart, ihrer Geschichten und der Darstellung des Horrors und des Grauens, absolut wegweisend und inspirierend. Rosemaries Baby wird nicht ohne Grund als „stilgebend“ bezeichnet und ist zu recht ein Kultfilm. Fast schon besser gefallen mir aber Ekel und der Mieter, die den Wahnsinn ihrer Protagonisten in sehr feiner und durchdachter Weise einfangen.
Roman Polanski ist sicherlich nicht unumstritten, aber Genie und Wahnsinn sind ja bekanntlich nicht immer gleich zu trennen. Polanski zählt, nicht nur wegen der Mieter-Trilogie, zu meinen Lieblingsregisseuren. Wem Psychothriller zusagen, dem sei diese Trilogie unbedingt Nahe gelegt.