Es ist die übliche Gangart, zum Ende einer Staffel einen ereignisreichen Abschluss zu präsentieren, der die Zuschauer möglichst bei der Stange halten soll. „The Walking Dead“ wird in seiner fünften Staffel sicherlich keine Ausnahme bilden; ist doch bereits eine sechste angekündigt, für die man sich selbstverständlich erneut hohe Quoten verspricht. Und was braucht es für ein solch furioses Finale? Spannung, Cliffhanger und rasante, schockierende Entwicklungen. Deswegen sind die letzten Folgen darauf bedacht, möglichst viele Konflikte aufzubauen, damit es in der letzten Folge ordentlich knallt.
Ein Schritt nach vorne, einer zurück
„Try“ bildet da keine Ausnahme, nur wird hier ersichtlich, wie ermüdend diese Prozedur werden kann. Der vorherigen Folge „Spend“ ist es noch stimmig gelungen, viele Figuren unterzubringen, Charaktere zu entwickeln und Probleme aufzubauen. Alle Teilgeschichten konnten selbstständig überzeugen und transportierten dabei eine Grundstimmung, die sie miteinander verband. Der inzwischen altbekannte Konflikt: Die Neuen gegen die Alten. Dies war letzte Woche noch unterhaltsam, da es endlich zu Taten kam. Der nächste Schritt wäre nun die Eskalation, aber die kann ja leider erst in der letzten Folge inszeniert werden. Also geht „Try“ in kleinen Schritten in diese Richtung, ohne dabei aufgrund der mangelnden Abwechslung zu überzeugen.
Bekannte Themen in altem Gewand
Wie in einer Endlosschleife konzentriert sich die Serie in einer Folge auf bestimmte Figuren und lässt andere in den Hintergrund rücken, um eine Woche darauf „Bäumchen wechsel dich“ zu spielen. Diesmal erwischt es zum Beispiel Carl. Wie bereits angedeutet folgt er heimlich Enid bei ihren Ausflügen. Zumindest tat er es bislang heimlich, denn sie stellt ihn zur Rede und sorgt somit dafür, dass ein eigentlich abgehandeltes Motiv erneut aufgegriffen wird: Wie gehen Kinder mit der neuen Welt um, die für sie die einzig bekannte ist? Dies wird hier allerdings derart frei von Innovationen umgesetzt, dass es schwerlich mehr ist als eine nette Erinnerung. Hängen bleiben eher die schaurig kitschigen Bilder, wie die beiden in einer Bamby-Atmosphäre durch das Unterholz toben oder erste Annäherungsversuche auf typische Teenie-Art hinter sich bringen. Eine nachhaltige Entwicklung wird ebenso wie ein interessanter Konflikt schmerzlich vermisst; wobei diese Passage damit nicht alleine steht.
Sascha fährt weiterhin einen Egotrip, um ihre Trauer zu bewältigen. Das langwierige Sitzen im Wachturm hat sie satt, sie will nicht darauf warten, dass die Beißer zu ihr kommen. Sie will die Schlacht zu ihnen tragen und macht sich deshalb auf die Jagd. Ihr Verschwinden bleibt nicht unbemerkt, weswegen Rosita und Michonne sie suchen und bei dem üblichen Splatter-Gemetzel Gesellschaft leisten. Die anschließende Ursachenforschung für Saschas Verhalten ist wenig ertragreich. Zwar lässt sie unter ihrem schroffen Verhalten durchblicken, dass die letzten Verluste für sie tragisch waren, aber wo genau liegt hier noch gleich die bahnbrechende Erkenntnis?
Michonne trägt nebenbei mit ihrem Kurzauftritt dazu bei, dass ein weiteres Mal die Gewöhnung an die Sicherheit von Alexandria aufgegriffen wird. Und wie vertraut, dreht sich die Serie hier im Kreis. Sicherheit und Verweichlichung stehen sich unvereinbar gegenüber, was ihnen im Kampf mit den Streunern erneut vor Augen geführt wird. Michonne entscheidet sich in diesem Konflikt dafür, die Auseinandersetzung als Training zu nutzen und bestätigt sich selbst, dass sie im Zweifelsfall bereit ist. Zusätzlich liefert sie damit eine weitere Nebengeschichte ohne neue Reize.
Überraschend sanfte Konfliktlösung – vorerst
Okay, zugegeben: Ich habe bislang die negativen Aspekte herausgekehrt und die positiven unter den Teppich fallen lassen. Es gibt solche Aspekte durchaus in „Try“; vor allem Glenn mausert sich zu einer interessanten Figur. Er hat in der Gruppe der Überlebenden die Stimme der Vernunft angenommen, wodurch er durchaus im Gegensatz zu Rick agiert. Letzterer hätte Nicholas sicher nicht verschont und es drängt sich sogar die Frage auf, warum er nach Glenns Schilderung nicht Rache für Noah verübt. Glenn ist über solcherlei Gedanken scheinbar erhaben, da er Nicholas zu dessen Schutz und dem von anderen zukünftige Ausflüge verbieten will. Die übliche Portion Gewalt, an die der Zuschauer sich inzwischen gewöhnt hat, bleibt aus; Glenn geht mit Diplomatie vor. Wer die Mechanismen der Serie durchschaut hat, wird jedoch wissen, dass so viel Menschlichkeit nicht ungestraft bleibt. Viel zu deutlich soll der Eindruck vermittelt werden, dass in einer Welt ohne Regeln jeder zur Bestie wird. Und wie auf’s Stichwort holt sich Nicholas einige Szenen später eine versteckte Waffe aus dem Wald, die verblüffende Ähnlichkeit mit jener hat, die Rick vor der Ankunft in Alexandria versteckt hatte.
All it takes is a little push!
Den Höhepunkt der Folge stellt wie so oft der Anführer. Die Auseinandersetzung zwischen Rick und Pete spitzt sich zu, was zumindest im Ansatz für einen Hauch Eskalation sorgt. Rick wirkte bereits in der Wildnis nicht durchgehend zurechnungsfähig, im Kontrast der ruhigen Villengemeinschaft verkommt er endgültig zum Wahnsinnigen. Selbst der Anblick des idyllischen Lebens innerhalb der Mauer reicht aus, um ihm den Puls hochzutreiben. Wie ein Mantra wiederholt er die Grausamkeit der Welt, um seine eigenen Grausamkeiten zu rechtfertigen, doch diese Entschuldigung zündet schon lange nicht mehr. Rick ist nicht wie früher der Held der Geschichte; im besten Fall befindet er sich inzwischen in einer Grauzone. Deanna realisiert dies endgültig, als Rick nach dem Handgemenge mit Pete blutüberströmt den irren Mahner gibt und seine Handlungen verteidigt. Ja, er gibt sogar den Einwohnern von Alexandria die Schuld, da diese in der Vergangenheit leben würden und nicht bereit seien zu tun, was zum Überleben notwendig sei. Das Schlimme daran ist: Als Zuschauer kann man nicht vollends gegen ihn sein. Man versteht seine Beweggründe, da man seine Verluste kennt. Er hat einst einen Gefangenen entkommen lassen, der daraufhin indirekt für den Tod seiner Ehefrau verantwortlich war. Deannas Vorschlag, Pete zu verbannen, stößt deswegen nicht auf Gegenliebe; er will das Problem beseitigen, solange er die Kontrolle darüber hat.
Die Serie hat außerdem nachhaltig deutlich gemacht, dass Ricks Weg der einzige ist, der einen gewissen Grad an Sicherheit beinhaltet. Darüber hinaus war „Spend“ ein deutlicher Fingerzeig an den Zuschauer, wem er seine Sympathien schenken sollte und das sind sicherlich nicht die Feiglinge und Lügner von Alexandria. Die Frage ist, ob man dennoch Rick bei dem wiederholten Amoklauf die Daumen drückt. Das es dazu kommt, ist angesichts des Aufwands, den die letzten Folgen betreiben, gewiss. Der Konflikt zwischen Rick und Deanna hat mit der Prügelei einen vorläufigen Höhepunkt erreicht und die Fronten verhärtet, die allerdings intern durchaus löchrig sind. Rick wird sicherlich noch ein paar Worte mit Michonne wechseln wollen, wenn er sich von ihrem Schlag erholt hat und es bleibt spannend zu sehen, ob sich die Gruppe geschlossen hinter seinen Kurs stellen wird. Auch bleibt abzuwarten, wie Deanna ihrerseits reagieren wird. Nach der Warnung von Gabriel und den Lügen von Nicholas dürfte sie ihre Ansichten bereits hinterfragt haben. Spätestens nachdem Rick mit einer Waffe auf sie und ihren Mann gezielt hat, wird sie aber endgültig an ihrer Entscheidung zweifeln, die Gruppe in Alexandria empfangen zu haben. Dass Töten für sie keine Option ist, hat sie deutlich gemacht, aber bei Rick wird ihr keine andere Wahl bleiben. Die Safe Zone wird er nicht kampflos aufgeben; nicht nach allem, was seine Leute in der Wildnis erleben mussten. Die Antworten auf diese Fragen spart sich „The Walking Dead“ für seine vorerst letzte Folge auf. Und hoffentlich erfahren wir dabei endlich, wer den Streunern das „W“ auf die Stirn brennt.
Vorher auf filmverliebt:
The Walking Dead Staffel 5 Folge 9
The Walking Dead Staffel 5 Folge 10
The Walking Dead Staffel 5 Folge 11
The Walking Dead Staffel 5 Folge 12