Nach 16 Folgen kehrt „The Walking Dead“ mit der letzten Ausgabe namens „Conquer“ nun in die Sommerpause ein. Die spannende Frage dabei ist natürlich: Mit welchem Gefühl gehen wir nach der emotionalen Achterbahnfahrt der letzten Monate in die vermutlich halbjährige Wartezeit? Versöhnlich, möchte man meinen; zumindest ist das das Motto des Staffelfinales.
Abwechslung durch Gewaltfreiheit
Und das ist angesichts der letzten Entwicklungen doch sehr überraschend, wahrscheinlich die größte Überraschung, die diese abschließende Folge liefern konnte. Wer sich die Mühe machen will, kann gerne in der Kritik der letzten Woche zu „Try“ nachlesen und sich überzeugen, dass die Serie mich in die Irre geleitet hat. Voller Zuversicht schrieb ich noch davon, dass der blutige Ausraster von Rick mit absoluter Gewissheit der nächste Schritt sein wird. Wäre aber auch nicht das erste Mal gewesen. So viel Zeit und Mühe, wie die letzten Folgen in die Auseinandersetzung Rick gegen den Rest von Alexandria gelegt haben, war es offensichtlich. Zu offensichtlich, haben sich die Schreiber wohl gedacht und wählten deshalb den erfrischenden Weg.
Wer dachte, dass Rick nach dem Knockout durch Michonne im Rachemodus aufwacht und mordend seine Bahnen durch die Safe Zone schlägt, wird eines Besseren belehrt. Lachend erwacht er aus seiner Ohnmacht, als wäre es ein schlechter Scherz, dass er zuvor auf offener Straße eine Pistole auf Menschen gerichtet hat. Wie ein kleines Kind, das aufgrund seiner emotionalen Unreife eine Dummheit begeht und diese am Folgetag bitterlich bereut. Genau das tut Rick nämlich, denn statt der typischen Gewalt stehen Deeskalation, Dialog und eben Versöhnung auf der Tagesordnung.
Auch wenn Carol ihrerseits alles daran setzt, weiterhin das Teufelchen auf Ricks Schulter zu mimen. Sie will ihn in eine gefühllosere Richtung drücken und scheint von seinem Weg der Wahrheit nicht viel zu halten. Er muss lügen oder die Stadt aufgeben; beides könne er nicht haben. Selbst vor ihren eigenen Leuten verschweigt sie die weiteren Waffen, die sie zuvor geklaut hatte – nur für den Fall. Solcherlei Spielereien hat der ehemalige Sheriff allerdings satt und spielt lieber mit offenen Karten. Das sollte man jedoch nicht falsch verstehen! Rick ist immer noch dazu bereit, notfalls jeden in Alexandria umzubringen, um die Gemeinde zu übernehmen. Seine Wandlung ist immerhin so weit vorangeschritten, dass er zuvor wenigstens mit Deanna reden will und höchstens bei mangelnder Kooperation zur Waffe greift. Für seine Verhältnisse ein enormer Schritt.
Scheinbar hat der Schlag von Michonne einige Synapsen in ihre alte Position zurückgebracht, weswegen Rick ihr von dem tödlichen Diebesgut berichtet. Michonne positioniert sich allerdings nicht gegen ihn, wie man nach ihrem Attacke vermuten könnte. Sie wollte ihn damit lediglich zur Vernunft bringen und kein Statement abgeben, dass sie sich von ihm abwenden würde. Sie steht hinter seinem Weg, selbst wenn die gestohlenen Waffen zum Einsatz kommen.
Wie ein Mord die Weltansichten verändern kann
Nachdem die internen Unklarheiten beseitigen sind, bleibt lediglich die Aussprache mit Deanna auf der to-do-list übrig. Diese hat für den Abend ein Forum zusammengerufen, in dem alle über das weitere Vorgehen diskutieren, bis Deanna ganz demokratisch alleine die endgültige Entscheidung fällt. Nachdem beide Seiten ihre Bedenken beziehungsweise ihre Fürsprache geäußert haben, taucht der zuvor abwesende Rick selbst auf der Versammlung auf – im Schlepptau einen eliminierten Streuner, der in die Safe-Zone gelangt war. Demonstrativ schmeißt er den Leichnam vor die Füße der versammelten Menge und setzt erneut zu seiner bekannten Rede an. Er tut eben, was er tun muss, um zu überleben. Diesmal klingt er jedoch um einiges versöhnlicher. Es geht im nicht mehr darum, die Menschen der Gemeinde zu verurteilen, er möchte ihnen zeigen, wie sie überleben. Er muss ihnen zeigen, wie sie überleben – und sie müssen sich ändern. Sein dramatischer Auftritt hat offenbar bei den meisten der Bewohner gefruchtet, doch gerade als man gespannt auf die Antwort von Deanna wartet, erscheint der gehörnte Ehemann Pete. Dieser schießt sich endgültig ins Abseits, da er bewaffnet die Versammlung stört und Rick für dessen Anmaßungen bestrafen will. Deannas Mann Reg versucht Pete zu beruhigen, was nicht so ganz funktioniert: Pete schlitzt ihm in seinem Wutanfall die Kehle durch. Deanna muss daraufhin mit ansehen, wie ihr geliebter Ehemann in ihren Armen verblutet, was bei ihr einen Sinneswandel bewirkt. Sie wollte nicht Richter und Henker zugleich sein, doch nach diesem erneuten Verlust akzeptiert sie die Brutalität der Welt und sieht die Notwendigkeit im Töten von gefährlichen Menschen. Mit einem kurzen „Do it!“ in bester Imperator-Art erteilt sie Rick die Erlaubnis, Pete zu erschießen, was dieser ohne Zögern tut und damit einen Haken hinter dieses Problem setzt.
Trotz zweier Toter blieb damit die erwartbare Eskalation aus, was ebenfalls in den anderen Unruheherden zu erkennen ist. Zwischen Nicholas und Glenn kommt es im umliegenden Wald zum Showdown, bei dem Glenn trotz Schusswunde an der Schulter Nicholas überwältigen kann. Als er die Möglichkeit hat, seinen Widersacher zu erschießen, entscheidet er sich ein weiteres Mal für die Menschlichkeit und so humpeln sie am Ende ihres Kampfes Arm in Arm zurück hinter die sicheren Mauern. Der Konflikt zwischen Maggie und Gabriel nimmt einen ähnlichen Verlauf. Der Priester kehrt nach einem gescheiterten Selbstmordversuch in seine Kirche zurück, wo er Sascha antrifft. Diese machte ihrem erkennbaren Verfall zur Psychopathin zuvor alle Ehre, als sie sich in ein Massengrab aus Beißern legte und dort zur Ruhe fand. Sie merkt aber selbst, dass etwas mit ihr nicht stimmt, weswegen sie sich Hilfe vom Geistlichen erhofft. Gabriel befindet sich jedoch – wie bereits angedeutet – gleichermaßen auf einem Trip zur Selbstzerstörung und provoziert Sascha, indem er ihr die Schuld am Tod von Bob und Tyreese gibt. Es kommt daraufhin auch hier zum Kampf, doch gerade als Sascha ihr Gewehr auf Gabriel richtet, platz Maggie in die Szenerie. Und obwohl sie allen Grund hätte, Gabriel zu hassen, beruhigt sie Sascha und hilft dem Priester auf. Schlussendlich bilden die drei einen Kreis und beten gemeinsam.
Was hilft gegen Frieden? Ein Feind!
Bei so viel Harmonie, die beim letzten Beispiel hart an der Grenze zum Kitsch entlang schrammt, bleibt die Frage, was als Cliffhanger zur sechsten Staffel dient. Wenn sich alles in Wonne auflöst, bleibt kein spannendes Motiv übrig, das uns bei der Stange halten soll. Gleich in der ersten Szene wird deshalb ein neuer Gegner angeteasert – „The Wolves“. Wer den Streunern das „W“ in die Stirn geritzt hat, dürfte damit geklärt sein. In einem ersten Aufeinandertreffen mit Morgan, der immer noch unbeirrt Richtung Ostküste wandert, zeigen zwei Vertreter der Gruppierung gleich, das mit ihnen nicht zu spaßen ist. Denn obwohl sie mangels Munition Morgan nicht wie geplant tötet können, deuten sie dennoch ihre Skrupellosigkeit an. Später vertieft sich dieser Anschein, als sie einem Wanderer leichtfertig die Kehle durchtrennen, um ihn ihrer Zombiesammlung beizufügen. Mit dieser hatten Daryl und Aaron bereits Kontakt, da sie eben jenen Wanderer verfolgten, um ihn vielleicht nach Alexandria einzuladen – was sich ja im weiteren Verlauf erledigt. Sie sehen auf ihrer Verfolgungstour jedenfalls einen umzäunten Parkplatz mit mehreren LKWs, von denen sie sich Proviant versprechen. Die Überraschung im Inneren besteht jedoch nicht aus Spaghetti in Dosen, sondern aus der erwähnten Zombiesammlung. In dem darauffolgenden Durcheinander können sie letztlich von Morgan gerettet werden und bringen ihn nach Alexandria, wo er Rick genau dann wiedersieht, als dieser Pete erschießt. Die Verwandlung, die Rick durchgemacht hat, versetzt Morgan offensichtlich in Erstaunen, allerdings nicht im positiven Sinn. Ein netter, kleiner Kniff um erneut deutlich zu machen, wie sehr sich der ehemals positive und kontaktfreudige Sheriff verändert hat.
Was aber taugt der Cliffhanger mit „The Wolves“? Ehrlich gesagt: Nicht viel. Die Frage, ob die Alexandria vor einer neuen Bedrohung steht, dürfte sich erübrigen, wobei bereits zuvor klar war, dass die Safe-Zone nicht in Frieden bis ans Ende ihrer Tage verbleibt. Es bleibt demzufolge nichts, das einem unter den Fingernägel brennt. Vielleicht, warum sie ihr Zeichen auf die Streuner imprägnieren oder sie zerstümmeln, anstatt sie zu töten; also nicht gerade viel. Das Zeigen der neuen Gefahr fällt in „Conquer“ eher negativ auf, da es den anfangs noch schwelenden Konflikt um Rick und Deanna in den Hintergrund rückt. Angesichts eines äußeren Feindes ist es zu erwarten gewesen, dass sie sich ohnehin zusammenraufen, um die Überlebenschancen der Gemeinschaft zu erhöhen. Allerdings wurde dieses Zusammenraufen auf eine angenehme Art umgesetzt, weswegen das Staffelfinale zumindest in dieser Hinsicht versöhnlich ausfällt. Alles Weitere wird man dann in der sechsten Staffel sehen.
Vorher auf filmverliebt:
The Walking Dead Staffel 5 Folge 9
The Walking Dead Staffel 5 Folge 10
The Walking Dead Staffel 5 Folge 11
The Walking Dead Staffel 5 Folge 12
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