Game of Thrones Staffel 5 Folge 10 Kritik „Mothers Mercy“

Thomas Neumeier 15. Juni 2015 2

„Go on. Do your duty.“ Die letzten drei Folgen dieser Staffel walzen noch einmal das volle Potenzial aus, das man von Game of Thrones zu erwarten hat. Zusammen mit Folge 8 „Hardhome“ bildet das Staffelfinale „Mothers Mercy“ mein Highlight dieser vorübergehend etwas durchwachsenen Staffel. Wo „Hardhome“ vor allem mit seiner schaurigen Schlacht glänzte, sind es in „Mothers Mercy“ mal wieder die Twists und die schonungslose Kompromisslosigkeit, die prägend hervorstechen.

Beginnen wir im Norden. „Go on. Do your duty“ sind Stannis’ letzte Worte, bevor Brienne ihn (vermutlich) tötet. Wenn es eins gibt, was Stannis schätzt, dann ist es Pflichtbewusstsein. So respektiert und akzeptiert er auch Briennes tödlichen Schwertstreich. Wahrscheinlich hat er ihn sogar begrüßt. Es heißt, Stannis sei neben Randyll Tarly der versierteste Soldat und Stratege in Westeros. Weshalb führt er seine unberittene Armee dann bei Tage schon in Sichtweite von Winterfell? Erscheint mir strategisch nicht sinnvoll, geradezu töricht. Die Antwort der Boltons lässt dann auch nicht lange warten. Die Kavallerie metzelt Stannis’ zerschundene Armee nieder, da kann auch der Lord of Light nicht helfen. Sollte er vielleicht auch gar nicht. Stannis war schon vorher gebrochen, auch wenn er das äußerlich nicht zeigte. Dass Melisandre ihn verließ, hat er mit kaum einer Regung zur Kenntnis genommen haben. Er dürfte gewusst haben, wohin ihn sein Marsch führt. Ein inzwischen ernüchterter Verblendeter, der seinen Weg nun konsequent zu Ende geht. Zu verlieren hat er nichts mehr. Wie in der Schlacht von Königsmund kämpft er mit seinen Soldaten in der ersten Reihe. Eine verlorene Schlacht, wie die beeindruckende Luftaufnahme schon beim Aufeinandertreffen der Armeen nahelegte. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, dass Stannis noch lebt, da man ihn wie den Hound Sandor Clegane nicht onscreen hat sterben sehen. Doch fällt mir kein Grund ein, warum Brienne ihn verschonen sollte. Das Haus Baratheon ist damit gefallen.

Ich greife vor zum verheerendsten Verlust, den uns diese Folge beschert hat: Jon wurde von seinen eigenen Brüdern der Nachtwache ermordet. In seinem Fall jedoch bin ich von einem Wiedersehen überzeugt. Sowohl in den Büchern als nun auch in der Serie ist Melisandre in Castle Black anwesend, als es passiert. Wie der rote Priester Thoros of Myr seinen Freund Beric Dondarrion mehrfach wiederbelebt hat, wird Melisandre Jon wiedererwecken, möchte ich wetten. Mit noch nicht absehbaren Kosequenzen. Jon und sein dramaturgisches Potenzial wären verschwendet, würde er hier und jetzt sterben bzw. tot bleiben. Ich bin sicher, wir sehen ihn wieder. Dann sollten Ser Alliser Thorne und seine Schergen trotz Winterkälte ordentlich ins Schwitzen geraten. Dass auch Olyvar bei Jons Beseitigung eine Rolle spielen würde, hat sich bereits in früheren Folgen abgezeichnet.

Sam bricht auf, Sansa bricht aus. Aus eigenen Stücken ziehen Sam, Gilly und Klein-Sam südwärts Richtung Oldtown. Angesichts der Entfernung müssten sie da eine ganze Staffel lang unterwegs sein, doch das werden uns die Serienschöpfer vermutlich nicht antun. Auch nicht, dass Sansas und Theons Flucht im Selbstmord endet. Sicher, der Tod wäre das kleinere Übel, wenn die Alternative Ramsay heißt, doch so werden diese beiden Charaktere gewiss nicht aus der Serie geschrieben. Myranda ist durch Theons Zutun hart gefallen, er und Sansa aber sollten vom Schnee aufgefangen worden sein. Ramsays Zorn wird gewaltig sein.

In Braavos wiederum beißt endlich Ser Meryn Trant ins Gras. Ihn vorher noch zum Klein-Mädchen-Schänder zu stilisieren, wäre nicht nötig gewesen, um diesen verachtenswerten Kerl seine gerechte Strafe zu wünschen. Arya verabreicht sie ihm schließlich. Leider war das nicht in Jaqens Sinne, und deshalb verlangt die Tat eine Lektion. Arya erblindet. Ihr Handlungsstrang und der von Cercei sind der Buchvorlage noch am ähnlichsten. Ansonsten kann die Serie inzwischen davon losgelöst betrachtet werden, wenngleich mit Jons Meuchelmord wieder eine Brücke zu den Büchern geschlagen worden ist.

Auf dem Schiff, das Jaime und seine Gefolgschaft nach Königsmund zurückbringen soll, stirbt ein weiterer Nebencharakter. Myrcella, Jaimes und Cerceis zweites Kind und einzige Tochter, erliegt dem Gift, das ihr Ellaria Sand bei ihrem Abschiedskuss hinterhältig verabreicht hat. Wie es aussieht, hat Prinz Doran in seinem Stall ein gehöriges Authoritätsproblem. Die Entwicklung in Dorne ist nach dieser Folge entgegen allen Erwartungen eine der verheißungsvollsten für die nächste Staffel. Jaime erfährt noch für wenige Sekunden das Glück einer tatsächlichen Vaterschaft, schon zerbricht dieser Moment ein für alle Mal. Wer hätte gedacht, dass man mit dem Königsmörder, diesem Kotzbrocken aus den ersten beiden Staffeln, noch derart mitfühlen würde können.

Dany und Drogon befinden sich der Landschaft nach zu urteilen weit nördlich von Meereen. Dany möchte zurück, aber erkläre das mal einem sturen Drachen. Sie bricht zu Fuß auf und läuft einem Khalasar von Dothraki in die Arme. Hier stimmen Buchreihe und Serie wieder überein, anders in Meereen. Das Trio Tyrion, Missandei und Greyworm sollen die Regentschaft übernehmen, solange Dany fort ist. Da ist nicht nur Tyrion wohl, dass Varys plötzlich in der Stadt ist und vermutlich das seine dazu beitragen wird. Angereichert durch diese beiden Figuren hat der Handlungsstrang um Dany gehörig dazugewonnen. Daario und Jorah verlassen die Stadt erstmal, um nach ihrer Königin (der Herzen) zu suchen. Dass Letzterer diese Staffel überlebt, habe ich nicht erwartet, aber es freut mich, weiterhin mit ihm rechnen zu dürfen.

In Königsmund kehrt Cercei nach langer Marter in den Kerkern ins Red Keep zurück. Zuvor aber beichtet sie. Und sie bricht. Zumindest fast. Sie gesteht, aber sie gesteht bei weitem nicht alles. Der Hohe Spatz hat sie nicht völlig gebrochen, denn von ihrem inzestuösen Verhältnis mit Jaime erfährt er bei ihrem Sühnenvortrag nichts. Bis hierhin lässt sich Cerceis Verhalten noch als berechnender Opportunismus in eigener Sache verstehen. Sie ist bereit, Demütigungen zu ertragen, um zu ihrem Sohn zurückkehren zu können. Auch den Walk of Atonement nimmt sie auf sich. Dabei jedoch, dem Pöbel der Stadt und seinen entsetzlichen Anfeindungen ausgeliefert, bricht sie zuletzt doch noch in sich zusammen, um zuletzt all jenen in die Arme zu laufen, die sie zu ihrem eigenen Nachteil dummerweise als Feinde begriffen hat: ihren Onkel Kevan und Grandmaester Pycelle. Doch nicht diese beiden, sondern Qyburn ist es, der sich rührend um sie kümmert, und er stellt ihr bei der Gelegenheit das neueste Mitglied der Königsgarde vor: Starre Augen und graue Haut unter dem goldenen Helm, getragen von einer kolossalen Gestalt, die kein Wort spricht. Offensichtlich gibt es nicht nur im Norden jenseits der Mauer, wiederwandelnde Tote. Wir sehen hier unzweifelhaft den von Qyburn wiedererweckten Gregor Clegane, den Oberyn Martell in der letzten Staffel tödlich verwundet hatte.

Auch wenn Folge 8 „Hardhome“ rein optisch mit beeindruckenderen Szenen aufwartete als das Staffelfinale, vergebe ich hier die Bestnote. In Sachen Twists, Schocks und Kompromisslosigkeit ist diese Folge kaum zu toppen. Nach einer durchwachsenen Staffelmitte haben die letzten drei Folgen wieder das beste aus Game of Thrones hervorgeholt, ohne sich dabei selbst zu kopieren.

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