„Kingsman“ – Kritik zum James Bond im Swag-Modus

Tommy 19. März 2015 1
„Kingsman“ – Kritik zum James Bond im Swag-Modus

Was soll man als Filmschaffender noch machen, wenn ein Genre bereits ausgelutscht ist? Und stellen wir uns mal den Fakten: Beim Agentenfilm wurde dieser Punkt bereits vor einigen Jahren erreicht. Dauerbrenner James Bond etablierte den mysteriösen Womanizer mit seinen technischen Spielereien, Jason Bourne modernisierte die Action für das 21. Jahrhundert und Liam Neeson in der „Taken“-Reihe transformierte die Ein-Mann-Armee zum sorgenden Familienvater. Alle adaptierten das Genre für ihre Bedürfnisse, ohne sich von ihm zu entfernen. Es dominieren Einzelgänger, die in altmodischer Art männliche Eigenschaften bewerben und notfalls zu eindrucksvoller Gewalt greifen, um Recht und Ordnung vor den bösen Jungs zu verteidigen. Was jedoch noch viel wichtiger ist: Alle hatten Erfolg mit diesem Muster. Folglich sucht scheinbar jeder Schauspieler die Möglichkeit, einmal die moralisch einwandfreie Killermaschine spielen zu dürfen. Als würde ein hollywood-interner Bingo-Wettbewerb stattfinden, überschwemmen austauschbare Filme mit ausgetauschten Darstellern die Kinos. Getreu dem Motte: Ich brauche eine Rom-Com und einen Agentenfilm, dann habe ich die Reihe komplett! Am 30. April startet übrigens „The Gunman“ mit Sean Penn bei uns; aber das nur am Rande.

Yeah, baby! Yeah!

Das Problem ist also akut: Was soll man da noch machen? „Kingsman“ hat eine Antwort gefunden: Wenn du das Rad schon nicht neu erfinden kannst, dann mach dich einfach darüber lustig, dass es rund ist. Nun ist dieses Vorgehen nicht revolutionär; sobald etwas populär wird, folgt im Windschatten todsicher die zugehörige Satire. Diese gab es beim Agentenfilm bereits, genau genommen sogar in dreifacher Ausführung. Die Rede ist von der „Austin Powers“-Trilogie, die um die Jahrtausendwende James Bond persiflierte. Mike Meyers sorgte neben einigen beanspruchten Zwerchfellen und vielen peinlich berührten Blicken dafür, dass der Kinogänger ein besseres Bewusstsein für die abwegigen Klischees des Genres entwickelte. Die darauffolgenden Bond-Teile mit Pierce Brosnan zogen allerdings keine Lehren daraus. Sie setzten weiter auf das altbekannte Schema: Höher, schneller, explosionslastiger und ein Auto, das unsichtbar werden kann. Die logische Konsequenz war, dass der Diener ihrer Majestät zu einer Parodie seiner selbst wurde, einer unfreiwillige Fortsetzung von „Austin Powers“. Erst das Reboot mit Daniel Craig hatte offenkundig aufmerksamere Macher, die einen Blick für Selbstironie hatten. Selbst die ikonische Martini-Bestellung wurde zum Witz. Inzwischen scheint die satirische Wirkung verpufft zu sein und der Ernst erhebt erneut sein grimmiges Antlitz.

„Kingsman“ könnte das ehemals vorhandene Bewusstsein renovieren. Er versucht dabei nicht, den Spoof-Klassiker „Austin Powers“ zu kopieren, was sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Der offenkundige Nachteil ist, dass „Kingsman“ eine eigenständige Geschichte erzählen will, die in ihrem Aufbau äußerst ironiefrei daherkommt. Die Handlung als solche ist schnell erzählt: Ein Rowdy aus schlechtem Haus soll bei einem Gentlemen-Geheimbund ausgebildet werden, während ein Fiesling die Welt bedroht. Vorhersehbarer Konflikt trifft altbekannte Story. Besagter Rowdy Eggsy (Taron Egerton) wird dabei derart forciert als geeigneter Kingsman-Anwärter vorgestellt, dass selbst Leuchtreklame keinen besseren Job leisten könnte. Überdurchschnittlicher IQ, ehemaliger Turner, angefangene Marines-Ausbildung und als Kirsche auf dem Eisbecher fungiert sein Vater, der selbst ein Kingsman war. In solchen Momenten lässt der Film sämtliche Pointen links liegen und nimmt seine abstruse Ausgangslage zu ernst. Dieser Fehler wiederholt sich später, wenn Eggsy seine Konkurrenten um die Stelle kennenlernt; allesamt Absolventen der besten Universitäten. Das soziale Gefälle wird nicht erfrischend interpretiert oder zumindest unbeachtet übergangen. Es folgen leider die erwartbaren Anfeindungen und Sticheleien, die keine nachhaltige Dynamik entwickeln.

Mit Windschatten und Eigenständigkeit

Dass „Kingsman“ es besser kann, wird erst nach einer zähen Anfangsphase ersichtlich. Bewusst werden Erwartungen aufgebaut, Klischees karikiert und amüsante Querverweise auf die Bond-Filme hergestellt, die eine Frage offen lassen: Warum nicht gleich so? Zwar hat beispielsweise „22 Jump Street“ ein vergleichbares Konzept detaillierter und hingebungsvoller umgesetzt, trotzdem bringt „Kingsman“ genug Eigenständigkeit mit, um dennoch zu erfrischen.

Eine Nachbildung der typischen Q-Szenen wird genutzt, um das Lebensgefühl der Apple-Jünger zu verspotten. Colin Firth wird bewusst als bornierter Snob charakterisiert, was Firth mit seinem minimalistischen Spiel hervorragend gelingt. Umso größer ist die Freude, wenn er einige Einstellungen später ein paar Rüpel samt Pub auseinander nimmt und folglich sein Korsett ablegt. Behilflich ist dabei die Regie von Matthew Vaughn, der mit „Kick-Ass“ bereits das Superhelden-Genre revolutionieren wollte – mit mäßigem Erfolg. Seine Actioneinlagen sind eine Antwort auf den Fluch, den die Bourne-Reihe über uns brachte. Schnitte müssen immer schneller gesetzt werden, damit der Zuschauer keine Chance auf Übersicht hat und sich wie vor einem Stroboskoplicht fühlt. Zwar kommt auch Vaughn nicht ohne Schnitte aus, doch ist bei ihm eine imposante Choreografie zu erkennen, die Nahkampf-Action endlich wieder genießbar macht.

Der Film ist so gut wie sein Bösewicht

Da die Bösewichte der Bond-Reihe meist eine Behinderung haben, lispelt Samuel L. Jackson in seiner Rolle als Milliardär Valentine. Mit seiner legeren Kleidung, den Sneakern und seinem Baseballcap steht er rein optisch den Blofelds und Beißern dieser Welt gegenüber. Darüber hinaus passt er mit seinem Verhalten nicht in die Riege der Super-Schurken: Er kann kein Blut sehen, verabscheut das Töten – zumindest wenn er es selbst tun muss – und mixt schon mal gerne Big Macs mit einem edlen Roten. Jackson überzeugt als unförmlicher und großmäuliger Schurke, wodurch er den Film belebt. Dem Traktat der Handlung fällt aber erneut eine Gag-Chance zum Opfer: Eggsy gehört zu Beginn des Films selbst der Kategorie „Swag“ an, weswegen ein Aufeinandertreffen mit dem ähnlichen und doch feindlichen Valentine seinen Reiz gehabt hätte. „Kingsman“ zieht es jedoch vor, Flagge im Konflikt Gangsta vs. Gentleman zu bekennen, weswegen Eggsy erst nach der Entwicklung zum Mann von Welt auf seinen Widersacher treffen darf.

Ein wenig Dampf ablassen

Auf den ersten Blick wirkt der Film wie ein Feel-Good-Movie und No-Brainer, bei näherer Betrachtung stimmt beides nur bedingt. Der Vorteil, der aus der Distanzierung zu „Austin Powers“ entsteht, ist nämlich die verblüffende Härte. In diesem Bereich agiert „Kingsman“ endlich überaus intelligent: Erst werden gnadenlose Entwicklungen gezeigt, um sie darauf als konsequenzlos zu outen und letztlich durch eine noch erschütterndere Szene abzuschließen. Ein genialer Bluff, der seine Wirkung nicht verfehlt. Auch setzt sich der Film mit gesellschaftlichen Problemen und Phänomenen auseinander. Der Klimawandel wird angesprochen, der gedankenlose Konsum und das Versagen der Politik. Gerade beim letzten Punkt besticht „Kingsman“ mit einer überraschend Vielschichtigkeit, weil er eine mögliche Alternative aufzeigt: Die Menschen klammern sich an Heilsversprecher, die durchaus zu fragwürdigen Lösungen tendieren können. Der Film drückt einem solche Themen aber nicht auf, sondern legt sie behutsam am Wegesrand ab und wer will, kann sie gerne auflesen.

Trotzdem wird das wahrscheinlich nicht reichen, um das Agenten-Genre wiederholt durcheinander zu wirbeln. Dafür hätte es vermutlich allen positiven Seiten zum Trotz eine gnadenlos alberne Parodie gebraucht, die jeden Baustein dieser Filme auseinandernimmt und auf diese Weise das Fundament durchlöchert. „Kingsman“ ist ein kurzweiliger, energiegeladener Film mit Anlaufschwierigkeiten, der durchaus überrascht. Allerdings kann er in komödiantischer Hinsicht nicht das Niveau eines „Austin Powers“ erreichen; wobei es vielleicht gewagt ist, hier von Niveau zu schreiben.

I’m a Catholic whore, currently enjoying congress out of wedlock with my black Jewish boyfriend who works at a military abortion clinic. Hail Satan, and have a lovely afternoon madam. – Harry Hart

Beitragsbild: (c) 20th Century Fox

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